KRITIK: Palila – Rock’n‘Roll Sadness

KRITIK: Palila – Rock’n‘Roll Sadness

Es ist 2022 und wie jedes Jahr flattern dem Verfasser dieser Zeilen unzählige, ambitionierte und vielversprechende Tonartisten auf den Plattenteller. Unter ihnen: Palila.

Begeisterte Ornitholog:innen schlagen an dieser Stelle sicherlich Alarm und mit den Flügeln, doch Obacht, junge:r Vogelfreund:in: Im Folgenden soll es weniger um den vom Aussterben bedrohten Vertreter aus der Unterfamilie der Stieglitzartigen gehen, sondern vielmehr um die nicht mehr ganz so junge, dafür umso aufstrebendere Band aus der Landeshauptstadt des kleinen Bundeslandes Hamburg.

Drei Herren, reich an Jahren und noch reicher an musikalischen Einflüssen, Ideen und Wurzeln, bestätigen abermals, was ein anderes Trio rund 30 Jahre vor ihnen zu vermelden wusste: Hamburg rockt! Rock’n’Roll Sadness, die mittlerweile zweite Scheibe der Jungs, setzt dort an, wo ihr Erstlingswerk Tomorrow I’ll visit you an return your records aufgehört hat: gefälliger, nie eintöniger, Indie-Rock trifft auf Lo-Fi-Charme (think Guided by Voices). Dem „Recording-Manifest“ der Stiftung „Sound Development“ mag die Produktion der aktuellen Scheibe nicht genügen. Das Handwerk im Schaffen der Band ist jedoch klar vernehmbar und geschickt herausgeschält worden. Insofern gleicht die Platte jenem geschliffenen, unpolierten, kubischen Kohlenstoff, der gemeinhin als Diamant betitelt wird.

Palila verstecken in ihren mal verträumt-melancholischen, mal treibend-optimistischen Arrangements durchaus schmackhafte Ohrwürmer für all die anderen Vögel (im besten Sinne des Wortes) da draußen, die bei Bands wie Sparklehorse, Mercury Rev., R.E.M. in ihren guten Momenten oder Built to spill anerkennend mit dem Kopf nicken können und laut „Meins, meins, meins!“ trällern.

Dem Nestbauverhalten ihres Namensgebers entsprechend, bedienen sich die Drei beim Bau ihrer musikalischen Strukturen u.a. bei eben genannten Vorbildern, sorgen jedoch durch eine gehörige Portion Kreativität, Spielfreude und kompositorisches Geschick für innovative Momente und Eigenständigkeit. Ausdrucksstark, aber niemals aufdringlich, treibend, aber ohne hibbeliges Pseudo-Groove-Gefrickel, zupft Basser Christoph seine Saiten, während Gitarrist und Sänger Matthias, mal verträumt, mal verärgert, die zeitweise zersetzenden Momente der Alltäglichkeit mitunter herzzerreißend zu besingen und bespielen weiß. Und bevor hier auch nur ansatzweise Richtung kitschig-klebrigem 90’s Rock á la Placebo, Bush oder Travis mäandert wird, sorgt Drummer Sascha mit tighten Trommeltriolen für klare Verhältnisse. Gut gemacht! Die Songs von Palila befördern genau jenes Gefühl, das einen erfüllt, wenn man einem zuvor völlig unbekannten Menschen am frühen Morgen in einer der unzähligen Hamburger Eckkneipen begegnet (pre-Corona, versteht sich): Man traf sich unverhofft, genoss gemeinsam diverse dampfende/flüssige Substanzen und hatte bereits nach dem zweiten Sprecherinnenwechsel das Gefühl, hier einen Seelenverwandten getroffen zu haben. Anders als im wahren Leben hat man, Palila-sei-Dank, nun die Möglichkeit, durch einfaches Umdrehen der Platte diesen Moment immer wieder bis zum Ende auskosten zu können. Danke dafür!

Anspieltipps:
NY Family Plans
Swim or Drown
Nemesis
Rough
Hitchhiker

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Von Veröffentlicht am: 12.03.2022Zuletzt bearbeitet: 12.03.2022473 WörterLesedauer 2,4 MinAnsichten: 736Kategorien: Alben, Kritiken0 Kommentare on KRITIK: Palila – Rock’n‘Roll Sadness
Von |Veröffentlicht am: 12.03.2022|Zuletzt bearbeitet: 12.03.2022|473 Wörter|Lesedauer 2,4 Min|Ansichten: 736|Kategorien: Alben, Kritiken|0 Kommentare on KRITIK: Palila – Rock’n‘Roll Sadness|

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Über den Autor: Marc Michael Mays

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