KRITIK: Kold Front – Kold Front

KRITIK: Kold Front – Kold Front

Kold Front beenden ihre fünfjährige Veröffentlichungspause.

Viel ließ sich im Vorfeld über die um Stine Holme agierende Kold Front nicht in Erfahrung bringen, daran hätte sich auch Jo Nesbøs Krimi-und Thriller-Bestseller Harry Hole höchstwahrscheinlich die Zähne ausgebissen, denn seit 2017 umgab eine dichte Nebelbank ihre Existenz.

Noch nicht völlig umnebelt, erinnere ich mich gut an das Nothing Nice To Say Festival in Berlin 2016. Aufgeteilt in verschiedene Konzerte und Aftershow-Partys, die wiederum an unterschiedlichen Konzerträumen von Bühnen gingen, spielte neben den mittlerweile schwer angesagten Post-Punker:innen von Belgrado unter anderem auch die Cold-Wave-Formation Moth, die ein paar Monate darauf eine Split LP mit Kold Front veröffentlichen würden.

Für Moth, die ebenfalls aus ihrer Heimatstadt Kopenhagen stammten, bedeutete die dazugehörige Tour im Oktober 2016 eine letzte Präsentation ihrer von Kälte und Melancholie geprägten Lieder, da die Mitglieder:innen zuvor ihre Auflösung bekanntgaben und somit boten sich natürlich gemeinsame Shows der befreundeten Gruppen mehr als an. Auf dem Abendprogramm standen neben Diät aus Berlin, nun Moth, Kold Front noch Padkarosda aus Ungarn. Die Nebelmaschine lief auf Hochtouren und spuckte für vier Bands mehrere Liter Nebelfluid im Verlauf ihrer Konzerte über die Bühne des auf dem RAW-Gelände stationierten Urban Spree.

Eine mehr als perfekte Nacht für Fans diverser Düster-Klänge, aus der für mich gesehen ganz klar Kold Front als kleine Sieger hervorgingen.

Leider befanden sich auf dieser Split-LP nur 3 ihrer Songs, die addiert um Dybet und Daggry von 2017 fünf Jahre später nur eine Handvoll melancholischer Perlen bedeuteten und ich schon befürchtete sie würden wieder im Nebel verschwinden. Umso überraschender verbreitete sich dann kürzlich die Kunde, dass Stine und Mathias Lodahl, nun als Duo operierend, neue Songs über Symphony Of Destruction und Saudade Records veröffentlichen werden. Nach der Teilnahme am San la Muerte Festival 2017 entschied das Trio getrennte Wege zu gehen und Christopher Bagge würde die Band verlassen. Somit verlagerte sich das Hauptgewicht auf die elektronischen Sounds und feilt nicht zum Nachteil der Qualität ihren Kern des musikalischen Ansatzes nur noch präziser heraus.

Sol, der erste Akt ihres ersten Albums, vertont ein Gedicht aus Die Poetischen Edda, das im 13.Jahrhundert entstanden ist. As Völuspa/Volvens Spadom, übersetzt aus dem Altnordischen, erzählt das die nordische Kosmogonie, eine Geschichte der Götter, Menschen und Monster von ihren Anfängen bis zu, Ragnarök, dem sogenannten Untergang der Götter beschreibt.

Sängerin Stine sagt: „Die Bildsprache des Gedichts ist manchmal so klar wie der Himmel. Manchmal wie aus einer anderen Welt und für uns verständlich“ und sie zog sich für den Produktionsprozess eines von Stöcken beherrschten Videos aufs Land zurück, die dann mit einer altgedienten Animation und der daraus resultierenden Stop-Motion, in unterschiedlichen Größen und Formen ihre Umsetzung fanden. Allein dieser erste neue Track tröstet über die doch lange Wartezeit hinweg und bringt das alte Sprichwort „Klasse statt Masse“ zum Tragen. Mit an Fahrt aufnehmender Geschwindigkeit ruft die Basstextur treibende Erinnerungen an Berlins Aushängeschild in Sachen „Dunkle Stimmungen“, Lebanon Hanover hervor. Mit einem Augenzwinkern zeigen die Verse der nordischen Mythologie ohne Umschweife in Richtung Nachtclub.

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Interlude ist selbstredend ein Instrumental-Song und bedarf keiner Worte, um seiner nachdenklich, kühl gehaltenen Stimmung Ausdruck zu verleihen.

Stine versteht es auch zu gut bei En Smag Af Jem Og Blod ihre Stimme verhallt zwischen Siouxsie Sioux und Elisabeth Fraser, Cocteau Twins hin und her pendeln zu lassen. Moderne trifft Retro, ohne sich auch nur annähernd in Bereiche der aktuell sehr angesagten poppigen Synthie-Wave-Szene zu begeben. Klare Kälte und gesunde Melancholie gehen hier nicht auf Kosten der Eingängigkeit baden. Was jetzt nicht heißen soll es sei nicht eingängig, sondern eben nur soweit wie nötig, damit jeder Tanzschritt nach vorne und zurück eine wohlige Bewegung auslöst.

Bassist Mathias begleitet die elektronische Symbiose, die seine Sängerin auf Synthesizern auslöst, loslöst und greift gerade in den hinteren Dritteln der Songs immer wieder auf seine eigene Intensität. An Dramatik legt dann Boy einige Briketts zusätzlich in den Ofen, Hi-Hats versetzen die Beats, Stine fährt danach Hall gen Null herunter und wir bekommen ihre Stimme in ganzer Pracht kraftvoll in unsere Ohren geschoben. Mathias übernimmt beim vorletzten Lied Signaler positiv das Zepter und zeigt mit seinem Bassspiel in Richtung Post-Punk ohne die tanzbare Ausrichtung der vorherigen Songs auszublenden.

Im Zeitlupentempo beendet Did You Wish To Die die Euphorie der Tanzfläche und zieht die Stimmung noch etwas mehr in Richtung verregnetes Herbstwetter, durch dessen wolkenverhangenen Himmel heute kein Sonnenstrahl mehr dringt.

Kold Front liefern das Paradebeispiel für qualitativ hochwertige, düstere Musik, die einfach nicht mehr als zwei Musiker:innen braucht um zu funktionieren.

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Von Veröffentlicht am: 22.03.2022Zuletzt bearbeitet: 22.03.2022821 WörterLesedauer 4,1 MinAnsichten: 625Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on KRITIK: Kold Front – Kold Front
Von |Veröffentlicht am: 22.03.2022|Zuletzt bearbeitet: 22.03.2022|821 Wörter|Lesedauer 4,1 Min|Ansichten: 625|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on KRITIK: Kold Front – Kold Front|

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Über den Autor: Nico Pfueller

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