KRITIK: Halsey – If I Can’t Have Love I want Power
Halsey ist den meisten vermutlich eher bekannt aus dem Radio, wo sie etwa mit den Chainsmokers als Feature auf deren Song Closer weltweiten Erfolg hatte.
Mit If I Can’t Have Love I Want Power veröffentlicht sie nun ein Album, das so gar nicht zu dem Pop-Sound passen mag – und wird dabei von Niemandem geringeren als Trent Reznor und Atticus Ross und damit von Nine Inch Nails unterstützt, die nach ihrer doppelten Oscar-Nominierung auf Halseys Album als Produzenten agieren und an den Songs mitgeschrieben und eine Vielzahl von Instrumenten eingespielt haben.
Nine Inch Nails als Produzenten, das löst Erwartungen aus. Um so überraschender ist dann der erste Song, der nur mit Klavier (das aber immerhin von Reznor gespielt wird) und Halseys Stimme klar macht: das hier ist kein Nine Inch Nails-Album und kein How To Destroy Angels-Album, das hier ist ein Halsey-Album, leb damit. Die Fronten sind also gleich mal klar, so enttäuschend das für einige sein mag.
Doch schon beim zweiten Song, Bells in Santa Fe wird der Einfluss von Nine Inch Nails super deutlich, spätestens dann, wenn eine absteigende Syntheziser-Melodie erklingt, die man gefühlt schon auf mindestens 5 Nine Inch Nails-Songs gehört hat, ohne dass man sagen könnte auf welchen. Das macht den Song aber keineswegs schlecht oder langweilig, sondern erfüllt die Erwartungen auf eine angenehme Art.
Mit Easier than Lying folgt darauf der rockigste Song des Albums, ein ziemlich punkiges, wütendes Statement. Es zeigt sich schon nach diesen drei Songs: Auf diesem Album ist alles möglich. Das kurz darauf folgende Darling ist zum Beispiel eine ruhige Nummer mit Akustikgitarre, die absolut Radio tauglich ist und auch z.B. von Taylor Swift sein könnte.
Danach verliert es sich ein bisschen, wir aber von I am not a woman, I’m a god aufgefangen. Halsey plus Nine Inch Nails – sehr, sehr gut!
Stark ist auch The Lighthouse mit seinen fuzzy basssounds, den schleppenden Beats und der Hook, die auf Anhieb funktioniert. Der Song entwickelt sich erst wie erwartet, nur um nach dem zweiten Refrain vollkommen damit zu brechen, indem der Song in ein NIN-mäßiges Outro mündet, auch dem Reznor sogar zu singen scheint – nur um dann völlig unvermittelt aufzuhören.
Das Album schliesslich versöhnlich und hoffnungsvoll und gleichzeitig düster mit einem Song für Halseys zu dem Zeitpunkt noch ungeborenes Kind: Darling You will bury me before I bury you.
Trägt das über das Album? Ja, wenn man sich davon freimachen kann, dass Nine Inch Nails als Produzenten nicht die Aufgabe haben, Halsey den NIN-Sound aufzuzwängen, sondern Halseys Songs bestmöglich zu gestalten. Keine Frage, ein spannendes Album mit einigen starken Songs, man darf nur keine Angst vor Pop-Musik haben. Die Vocals sind dafür aber auch so gar nicht Pop-tauglich, Halsey besingt die Freuden und die Angst und den Horror einer werdenden Mutter. Was ich an diesem Album schätze, ist, dass es mit den Erwartungen der Hörer:innen spielt, gezielt mit diesen bricht und sie dann doch erfüllt. Das dürfte aber aus Sicht von Halsey-Fans noch etwas anders sein, diese sind vermutlich etwas schockiert, die Kulturjournalistinnen dürften das Album aber abfeiern.
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