KRITIK: Deserta – Every Moment, Everything You Need

KRITIK: Deserta – Every Moment, Everything You Need

Deserta fliegen hoch hinaus mit Every Moment, Everything You Need, ihrem neuen zweiten Album.

Ganze vier Jahre lang war Matthew Doty damit beschäftigt Material für sein Solo-Projekt zusammen zu tragen und höchstwahrscheinlich, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Black Aura, My Sun, nicht direkt mit diesem Schub rechnete.

Matthews Deserta schrammte knapp zweit Monate an Lieferschwierigkeiten, auftretenden Qualitätsmängeln und explodierenden Preisen, bedingt durch die Pandemie vorerst vorbei und relativ zügig waren alle 725 Vinyl-Kopien von Black Aura, My Sun ausverkauft. Felte Records, beheimatet in Los Angeles, Kalifornien, hat gute Label-Arbeit geleistet und konnte bereits Acts wie Ritual Howls, Soviet ,Soviet, oder auch Sextile erfolgreich unter Vertrag nehmen.

So ganz neu im Musikgeschäft ist Herr Doty nicht mehr, spielte er von 2001-2009 bei der dem Post-Rock zuzurechnenden Formation Saxon Shore, deren Mitglieder über eine Luftlinie von 328 km verteilt, in Washington D.C., Philadelphia und Brooklyn lebten. Im Verlauf ihres Banddaseins veröffentlichte die Band vier Alben und verdoppelte die Anzahl der Musiker, bevor 2009 das überraschende Aus folgte. Sein nachfolgendes Projekt, Midnight Faces, zusammen mit Sänger Phil Stencil gegründet, war eher auf Post-Punk, Synthie-Pop fokussiert und brachte es gerade mal auf ein Album, bevor der Multi-Instrumentalist ab 2017 alleingelassen, neue Songs schreiben würde.

Matthew hat gut zugehört, welche Zutaten aus elektronischen Klangwelten der vorübergezogenen letzten vier Jahrzehnte von Nutzen sein könnten, bringt seinen, den Midnight Faces nicht unähnlich klingenden Gitarrensound an den Start und projiziert ihn ins vorrangig, bei Deserta herrschende Schneckentempo.

Black Aura, My Sun zeichnete im Januar 2020 ein kunterbuntes, nicht allzu nachdenkliches, umso mehr elektrisch aufgeheiztes und mit Synthesizer verhangenes Bild des isländischen Sternenhimmels. Atmosphäre und Reverb stehen mit elf, auf der nach oben offen Skala, lassen Einflüsse von M83, Sigur Rós und den Cocteau Twins anhand der Sternenkonstellation ablesen, die den kristallklaren Keyboards nicht ihren vorherbestimmten Weg abschneiden!? Nein, denn der mittlerweile Vater gewordene Mastermind Matthew hat die Lautstärkeregler seiner einzelnen Komponenten jederzeit im Blick und lässt keinen einzigen Ton aus der Formation tanzen. In der Mischung lag die Würze, die dich losgelöst über den Parkour deines Lieblingsclubs, zu Hide mit dem Becken in der Hand, in sich gekehrt tanzen lässt, nachdem Monica mit sich duellierenden Breitwand-Flächen gekonnt, ihr auserwähltes Publikum unter hohen Umdrehungen ambitioniert unter die Discokugel beamte.

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Textlich schreibt Doty Erfahrungen über Fürsorge, Frustration und Katharsis nieder, verbindet diese in seinen Klanguniversen mit Echo getriebenen Vocals, Post-Rock-Teppichen und wirft mit Drone-Gaze-Gitarrenriffs um sich. Völlig zu Recht durchbrachen Deserta vom Start weg die Schallmauer so dass ziemlich fix, kurz vor Ausbruch der Pandemie, wieder Live-Präsentationen im Orbit anstanden und Doty machte für einige Daten an der Westküste halt.

Nun rückt Matthew auf seinem zweiten Album noch ein Stück mehr in Richtung Etheral und Synthie-Pop der Achtziger und auch die kristallklaren Welten, die Cliff Martinez für den Drive-Soundtrack zauberte, scheinen durchaus Quantenspuren hinterlassen zu haben.

Ganz im Alleingang ist Every Moment, Everything You Need dann doch nicht entstanden, denn James McAllister zeichnete sich für das Einspielen der Drum-Sunds und deren Produktion zuständig. Ab der ersten Millisekunde, einleitend mit Lost In The Radio, bleibt Doty keinen Beweis schuldig, dass nicht immer Tonnen an Feedbacks und Verzerrung nötig sind um gute Hybride dieser Musikstile zu entdecken. Futuristisch angehaucht klingen die Drums durch etliche Effektgeräte und wieder zurück gereist zu sein. Wunderschön aus der Ferne klingende Riffs wollen deine Aufmerksamkeit und tragen dich in Ambientflächen gebettet, einmal um den Planeten herumkreisend und für 381 Sekunden scheinen Hörer:innen sich in den Weiten verlieren zu dürfen.

I´m So Tired legt an Warpgeschwindigkeit etwas oben drauf, säuselt die verhallten Vocals auf einer Linie durch endlose Räume, entert jene mit sparsam platzierten Modulationen und stürzt gegen Ende in polternde Drumbeats, um für die nächsten Songs das Tempo zu entschlacken. Gastsängerin Caroline Lufkin, eventuell bekannt geworden durch die ihre Zugehörigkeit der Mica Parade, reicht fast schon die Zeitlupen-Version, für das aus ihrer Feder stammende Where Did You Go, einen Song lang in Richtung Area und Cocteau Twins manövriert, bevor Doty mit Far From Over wieder übernimmt.

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It`s All A Memory feuert in seinen letzten Zügen allerlei aufgeregte Synthesizer-Klänge ab, nachdem seine gelassene Schwerelosigkeit fast schon monoton, unter den Textzeilen, nur dann und wann von aufheulenden Gitarrenriffs begleitet wird. Diese Leichtigkeit, keinen Boden unter den Füßen zu spüren, wird auch A World Without zu teil, haftet das abgehobene durch den Song hindurch, wie eine Klette an jedem Ton. Gut auf dem Soundtrack zur neuen, vierten und letzten Staffel der Stranger Things, könnte die Expedition Deserta durch die fiktive Kleinstadt Hawkins schwebend, auf der Erdoberfläche landen, um von ihren Visionen mit allerlei traumwandlerischen Sequenzen zu berichten.

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Zeitlos endet dann auch das mehr als schöne, noch ausgefeilter tönende zweite Album, denn mit Visions dreht der letzte Song seine Runden und deinen Ohren die Annahme unterbreitet, Doty stellt die Reverb-Taste auf Anschlag um in die Unweiten des Asteroidennebels zu steuern.

Matthew Doty, der Klangkünstler hinter Deserta, schickt uns auch mit seinem neuen Album auf eine Reise in die entlegensten Straßen der noch unerforscht gebliebenen Galaxien entfernter Sternensysteme. Modern, nicht zu unorganisch, entführen sie uns auf einen zeitlosen Trip, der mit seiner garantiert nächsten Episode, doch eigentlich etwas für 4AD Records sein könnte!?

Mission completed.

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Von Veröffentlicht am: 01.05.2022Zuletzt bearbeitet: 01.05.2022943 WörterLesedauer 4,7 MinAnsichten: 566Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on KRITIK: Deserta – Every Moment, Everything You Need
Von |Veröffentlicht am: 01.05.2022|Zuletzt bearbeitet: 01.05.2022|943 Wörter|Lesedauer 4,7 Min|Ansichten: 566|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on KRITIK: Deserta – Every Moment, Everything You Need|

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Über den Autor: Nico Pfueller

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