KRITIK: Chuckamuck – Beatles
Die beschissene Leichtigkeit des Seins. Neben der Garage.
Vorweg: der Rezensent ist seit frühen Kindestagen großer Beatles Fan und findet nahezu jede Neuinterpration und alle wohlbekannten Coverversionen furchtbar Kacke. Nur die echten Fab Four sind der real deal. Jetzt kommt hier eine dreiköpfige Garagerock-Band aus dem großen Kunstkulturpfuhl Berlin und nennt ihr fünftes Album frech Beatles. Natürlich kommen die Files von Chuckamuck mit weit ausladendem Pressetext und natürlich sind die Herren aus Liverpool dort Thema. Aber nicht etwa deren Alben oder Songs per se, sondern in Form eines Gefühls. Einem Beatles-Gefühl. Zentrale Fragen: Was ist das? Hab ich sowas als Fan? Kurze Selbstreflexion, ja, gibt es, habe ich natürlich. Aber was heißt das denn nun?
Im Text ist die Rede von Coming Of Age und dass man in Berlin sein eigenes White Album, also eigentlich seinen Opus Magnum produziert hat. Das wollen wir ja mal sehen bzw. hören!
Die Band sieht sich unter anderem im Country beheimatet (Kinder-Country, um genau zu sein) und so ganz lässt sich das sicher nicht verhehlen. Allerdings weniger Slide Guitar und Yee-Haw, hier gibt es mehr kitschig-schaurige, angenehm aus der Zeit gefallene Balladen. Geschichten werden erzählt, von Nächten, Liebschaften, Bagatellen und Reisen. Es schleichen sich sehr schnell Gefühle ein, allem voran Lethargie und Sehnsucht! („Jeden Tag, der selbe Quark. Und du lässt dich drauf ein“).
Der von Bläsern getragene Opener UV Index, mit seinen Congas und der markanten Stimme oder das schwere, melancholische Alles wird vorbei sein klingen entfernt nach den großartigen Element Of Crime, aber keinen Meter nach Abklatsch. Zwischendurch spielt man mit verschiedenen Stilen, gerne mit 60s-Beat, wie im leicht groovenden Wochenende Ist Für Skatturnier oder schwelgt im No-Wave-Folk mit beinahe tanzbaren Anteilen (Valentina).
Es klingt (zum Glück) sehr selten tatsächlich nach den Beatles, aber dennoch passiert es! Das dadaistisch-skurrile Vögel heißt auf dem großen, weißen Album Piggies. Oder doch Number Nine? Irgendwas dazwischen. Genauer gesagt klingt es nicht nach Beatles Songs, eher wurden bewusst oder unbewusst ähnliche Sounds oder andere Anleihen gewählt.
Order: Chuckamuck – Beatles (LP)
Miss Lonelyhearts ist pure Hamburger Kiezphilosphie und schmeckt, riecht und fühlt sich einfach nach Reeperbahn an. Ein wenig Rock’n’Roll hier, wenig Katerstimmung dort. Obwohl die Hansestadt weit von Berlin weg liegt, bleibt alles wunderbar authentisch. Die Libertines stehen sicher nicht direkt Pate, aber auf der anderen Seite der Straße, hinter dem Zaun winkt Pete Doherty mit seinem speckigen Hut.
Kaum hat man sich eingeschunkelt, haut man mit dem kurzem 10 Jahre in die (Post-) Punk Tasten und erinnert sich an die 80er, ähnlich bei Ich vergaß. Überhaupt, die Punk-Attitüde ist trotz teils eher behändem Tempo stets spürbar. Vielleicht liegt das auch am Sessioncharakter, den die Aufnahmen auf ganzer Länge ausstrahlen. Jedenfalls darf das. Nein, eigentlich es soll so!
Wenn man mehr Namedropping betreiben wollte, könnte man auch gerne auf The Shins verweisen, die hätten das niedlich-bescheuerte Bus auch geschrieben haben können. Ein kindlicher Rebell gibt hier klar zu Protokoll, was ihn die Gesellschaft alles kann. Geht nicht tief, trifft aber trotzdem.
Nach meinem klaren Favoriten Mein Sommer auf dem Friedhof, einem geil schrulligen Erlebnisbericht (Ferienjob? Sozialstunden?) im 60s-Rock-Gewand, schließt die Herz-Schmerz-Ballade Vermisst ein wirklich außergewöhnliches Album.
Nun, Beatles ist kein Album für eine durchzechte Nacht, eher für den Morgen danach. Derart entspannt, verträumt, psychedelisch und bildmalerisch geht es hier zu, dass es im Substanzeinfluss zu leicht an einem vorbei rauschen würde. Mit einem Glas Wasser, einem Kaffee, ggf. einer Aspirin unter den ersten Strahlen der Nachmittagssonne, findet man hier eine perfekte, musikalische Untermalung.
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