KRITIK: 40 Watt Sun – Perfect Light

KRITIK: 40 Watt Sun – Perfect Light

Schon zu Jahresbeginn gibt es ein Highlight der besonderen Art und Freund:innen ruhiger und tief-emotionaler Songs kommen in diesem Jahr nicht am neuen Album von 40 Watt Sun vorbei.

Patrick Walker packt die Hörer:innen beim ersten Wort des Albums und spuckt sie nach etwas mehr als einer Stunde intensivstem Eintauchen in die Seele und das Herz wieder aus. Mehr an Intimität geht nicht und es tut fast körperlich weh, wenn der letzte Ton des Albums verklungen ist.

Die Verwandlung des Patrick Walker, der aus dem Doom-Metal kommt und die Band 2009 in London gründete, hat mit dem dritten Album Perfect Light, das zu einem genreprägenden Album des Slowcore in Erinnerung an die Red House Painters werden kann, offensichtlich ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Von dem ursprünglichen Trio, neben Sänger und Gitarrist Walker waren noch Bassist William Spong und Schlagzeuger Christian Leitch unter dem Namen 40 Watt Sun aktiv, ist nach dem Hören dieses Albums gefühlt nur noch Walker übrig. Bei einem Großteil der Songs wird die markante Stimme Walkers nur mit der akustischen Gitarre begleitet. Ob aus der Band tatsächlich ein Solo-Projekt geworden ist, kann derzeit nicht sicher bestätigt werden. Auffällig ist allerdings, dass außer Walker nun Gastmusiker:innen in den Credits genannt sind.

Auch wenn das Vorgänger-Album Wider Than The Sky (2016) noch stark vom Alternative-Rock und Ambient beeinflusst war, konnte man auch damals schon erahnen, dass der vorwiegend akustische Slowcore die zukünftige Heimat sein würde. Auch 2016 waren die Arrangements schon sehr melodisch und emotional. Was damals noch fehlte war die absolute Langsamkeit und Zurückhaltung, die an ruhige Momente von Folk- und Post-Rock-Tracks erinnert und das neue Album durchgehend prägt.

Man mag gar nicht bestimmen oder qualifizieren, welcher der acht Songs der schönste, emotionalste oder Beste ist, denn das würde die anderen Tracks zurücksetzen und das erscheint wirklich nicht angemessen. Was am schönsten am gesamten Album ist, man hat stets das Gefühl Patrick Walker sei so sehr angekommen, als hätte er jahrzehntelang darauf gewartet diesen Sound zu perfektionieren.

Der Opener Reveal ist unstrittig eine der schönsten Kompositionen, die Patrick Walker bisher vorgelegt hat. Schon der Beginn des Songs mit den zarten Gitarrenklängen berührt die Seele. Trost und Zuversicht werden dann wie ein Mantra vorgetragen und Walker singt zum Höhepunkt des Songs: „However wide the silence seems / Wherever you want me / I will be“. Das Herz geht auf und Walker gleitet hinein.

Mit mehr als elf Minuten ist das überwältigende Behind My Eyes weit mehr als eine Landschaft aus glitzernden Klaviertönen und dahingleitendem Gesang. Walker legt sich geradezu in die sich endlos ziehenden und wiederholenden Melodien. Direkt im Gedächtnis bleibt der Kernsatz der ersten Textzeilen: „Nothing in this life is unchangeable / Or unchanging“. Patrick Walker macht deutlich klar, dass er den Status nicht gelten lässt sondern nach ständiger Weiterentwicklung strebt.

Bei der Single Until (02.12.2021) übernimmt erstmals eine komplette Orchestrierung mit einer elektrischen Gitarre den musikalischen Takt und Walker muss nun gegen Gitarren und Schlagzeug ansingen. Das immer gleiche sich wiederholende Motiv begleitet von den Backing-Vocals von Nicola Hutchison steigert sich bis zum Höhepunkt, dem ein sanfter Ausklang mit nochmaligem Aufbäumen folgt. Nirgendwo auf dem Album wird so intensiv, fast schmerzhaft gefleht. Zart und liebevoll geht der neun-minütige Track in den nächsten wunderschönen Song Colours über. Eine leichte und anmutige Fingerübung mit akustischer Gitarre, welche die vorherigen Motive fortführt und von der wunderbar warmen Stimmfarbe Walkers getragen wird.

Die bereits im Oktober 2021 veröffentlichte Single The Spaces In Between ist dann aber ein echtes Highlight, das eventuell ein wenig heller scheint als der Rest.

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Die Grundmelodie wird hier über mehr als neuneinhalb Minuten wiederholt und Patrick Walker liegt mit seiner wunderbar-zarten und verletzlichen Stimme darüber wie eine Decke, die wärmt und einhüllt. Chris Redman am Piano und die gehauchten Percussions verleihen dem Song eine ganz spezielle Note, die ihn tatsächlich über die Grenze zur Magie erhebt. Erlösung im Sinne von Verstehen gibt es, wenn Walker zur Mitte des Songs eingesteht: „You are the rythm of my days / and the Spaces in Between“. Dann kann er seinen Gefühlen lyrisch nochmal freien Lauf lassen, bevor der Song in den letzten fast 3 Minuten mit abnehmender Intensität dem Ende entgegen gleitet.

Nach einem langen epischen Intro wird Raise Me Up mit sich steigernder Dynamik ab der Songmitte zu einem wahren Erlebnis und die Tempowechsel und die volle Instrumentierung inklusive elektronischer Verzerrungen tun dem Song tatsächlich gut. Die tiefe Eindringlichkeit gleicht einer emotionalen Katharsis und der musikalische Höhepunkt nach siebeneinhalb Minuten leitet das Ende des Songs ein, in dem Walker wissen will: „Am I strong enough to carry this / Or too weak to let it go?“.

Nach der gerade gehörten Offenbarung wirkt A Thousand Miles eher unspektakulär und beginnt, wie der Opener Reveal, mit zarter Gitarrenbegleitung. Zusammen mit dem akustischem Song Closure entsteht ein wunderbares Duo zum Ausklang des Albums. Walkers Gesang wirkt im Gegensatz zu den vorangegangenen Tracks wie befreit und angekommen und die Lyrik ist tatsächlich sonniger.

Beim Album-Finale Closure wird der getragene und ruhige Gesang von Walker anfangs nur mit der Akustik-Gitarre begleitet, so dass nochmals die Strahlkraft und Intensität zur Geltung kommen kann. Wunderbar wenn Walker singt: „If you are here to ask me / what I now believe“. Man spürt die Wärme, die aus den Worten herausstrahlt.

Es sind die kleinen Töne und Gesten, die dieses Album so herausragend schön und herzerwärmend machen. Die sich ständig wiederholenden Melodiefolgen schälen sich aus den Songs heraus in den Gehörgang und krallen sich dort fest. Fast jeder Track des neuen Albums von 40 Watt Sun entwickelt eine magische Sogwirkung und genau das ist es was die Hörer:innen in eine andere Welt ohne Sorgen entführen kann. Aktuell ist dieses Album die Messlatte für alles was 2022 noch kommen mag.

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Von Veröffentlicht am: 19.02.2022Zuletzt bearbeitet: 19.02.20221015 WörterLesedauer 5,1 MinAnsichten: 1060Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on KRITIK: 40 Watt Sun – Perfect Light
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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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