Junius – Eternal Rituals For The Accretion Of Light
Sechs Jahre seit der letzten LP. Drei Jahre seit der letzten EP. Die Post-Rock/Post-Metal Band Junius, die ihre Wurzeln in Boston, Massachusetts hat, hat sich in den letzten Jahren rar gemacht. Doch nun können wir uns endlich auf ein neues Album freuen, das Anfang März ihre Konzeptalben-Trilogie vervollständigen wird!
Junius stehen seit ihrem ersten selbstbetitelten Album von 2007 für knackige Riffs, einnehmenden Cleangesang und dem Hang zu beinahe exotischen Melodien. Dabei sind sie niemals wirklich „heavy“ gewesen, wenngleich starke Metal-Einflüsse aus ihrer Musik herauszuhören sind. Thematisch widmeten sie sich seit ihrem 2009er Album „The Martyrdom of a Catastrophist“ Inhalten wie Tod, Katharsis, Reinkarnation, Seelenwanderung und der Apokalypse. Die Zusammenarbeit innerhalb der Band wurde jedoch mit den Jahren zunehmend schwieriger – mit zwei Musikern in New York, einem in Boston und einem in Austin, Texas gestaltete sich das Songwriting sowie das Proben schwierig und zuletzt kam es zu einem Zerwürfnis, das dazu führte, dass Sänger Joseph E. Martinez und Drummer Dana Filloon zu zweit an einem neuen Album gearbeitet haben. Herausgekommen ist ein schweres, vielseitiges Album unter dem Namen „Eternal Rituals For The Accretion Of Light“, kurz „ERAL“, das wir euch an dieser Stelle genauer vorstellen möchten.
Mit einem unheilvollen, altertümlich-rituellen Intro eröffnet „March of The Samsara“ das Album und entführt uns in eine unbetretene Welt zwischen Diesseits und Jenseits. Samsara, das ist der immerwährende Zyklus des Seins in den indischen Religionen und an dieser Stelle knüpfen Junius thematisch an das letzte Album „Reports from the Threshold of Death“ an, das figurativ den Sterbevorgang und den Übertritt in eine jenseitige Welt beschreibt. In „March of The Samsara“ befinden wir uns nun genau dort, in dieser Verbildlichung des Zyklus der Wiedergeburt, im Lebensrad, das im tibetanischen Totenbuch charakterisiert wird. Mit tiefer, beinahe bedrohlicher Stimme singt Joseph E. Martinez von seinem Marsch durch diese andere Welt, durch den Kreislauf aus ständigen Wiedergeburten, um seine Erlösung zu finden. Bedrohlich und düster sind die Attribute, die wir nicht nur diesem Opener zuschreiben können – vielmehr zeichnet sich der Großteil des Albums durch ebendiese Stimmung aus. Was im ersten Moment vielleicht monoton klingen mag, wächst durch abermaliges Anhören zu einer vollständigen Geschichte mit distinkten musikalischen Motiven heran und es wird bald klar: diese Band hat sich stattlich weiterentwickelt.
Mit „Beyond the Pale Society“ hat man einen typischen Junius-Song mit eingängigem Chorus und charakteristischen „Oh oh oh“-Gesangssequenzen vor sich. Zu Beginn ebenso bedrohlich wie der erste Song, verflüchtigt sich diese Stimmung doch bald und schafft Raum für selten gehörte scharfe Gitarrensoli. Auffällig ist ab hier, dass auf diesem Album der Gesang nicht so sehr im Vordergrund zu stehen scheint wie auf den Vorgängeralben. Die Stücke weisen deutlich längere Instrumentalpassagen auf, sodass der Gesang eher eine Untermalung der Musik als eine prädominante Stellung einnimmt. Auch in diesem Punkt lässt sich eine Abkehr von den üblichen Songstrukturen der Band erkennen. Besondere Erwähnung verdient dabei das Drumming im Song „A Mass for Metaphysicians“ ab Minute 03:56. Es ist subtil, jedoch auf den Punkt gebracht. So etwas haben Junius ihren Hörern bisher nicht geboten.
Gleichzeitig enthält das Album jedoch auch scharfe Scream-Passagen, die es ebenfalls zuvor nicht in dieser Intensität gegeben hat, zu hören beispielsweise im Song „Clean the Beast“. Verantwortlich dafür ist Circle Takes The Square-Musiker Drew, der als Gitarrist ebenfalls zum neuen Live-Inventar von Junius gehört. In dieser Woche hat die Band zu „Clean the Beast“ ein sehr unerwartetes Video veröffentlicht. Zu sehen ist Polizeigewalt gegen linke Aktivisten, linke Gewalt gegen die Polizei, Vandalismus, Atomexplosionen, Sprengungen, der Fall der Berliner Mauer sowie der neulich durch die Medien verbreitete „Nazi Punch“. Weniger ein politisches Statement als eine Antwort auf das aktuelle Geschehen in den USA. Oder, wie Joseph selbst es nennt:
„The zeitgeist was calling and I had to answer.“
Die harten Riffs und die bedrohliche Atmosphäre setzen sich bis zum einminütigen Interlude „All that is, is of the One“ fort, das sphärische Klänge und eine wispernde Frauenstimme, deren sprachlicher Inhalt leider unverständlich bleibt, ins Ohr trägt. Daran schließt sich „The Queen’s Constellation“ an, das bereits als Vorabveröffentlichung mit einem hübschen Video bekannt ist. Leider ist der Übergang zwischen beiden Titeln nicht rund sondern eher abrupt – schade.
„The Queen’s Constellation“ besticht durch sein Keyboard-Intro, in das kraftvolle Gitarren einfallen. Mit diesem Song wird mir schlussendlich klar, wieso viele Menschen Junius als Schnittstelle zwischen den Deftones und The Smiths bezeichnen. Trotz der ziemlich harten Rhythmik dieses Songs wirkt er ruhig, der Gesang ist in den Strophen durch ein sanftes Drumming und runtergepegelte Gitarren untermalt und von der ersten bis zur letzten Sekunde gefühlvoll; Ganzkörpergänsehaut nicht ausgeschlossen.
„Masquerade in Veils“, der nunmehr achte Titel des Albums, ist ebenfalls besonders hervorzuheben. Hört man sich völlig ohne Vorkenntnisse das Album an, fällt man vermutlich aus allen Wolken, wenn die langsame Akustikgitarre erklingt, dazu Josephs tiefe Stimme, ruhig und besonnen. Ich bin an Johnny Cash erinnert. Es ist kein reines Akustikstück, da es Synthieklänge beinhaltet, doch es könnte eines sein, live, mit Streichern. Es ist atemberaubend durch seine Simplizität.
Mit dem letzten Stück des Albums – „Black Sarcophagus“ – runden Junius „ERAL“ sowie den gesamten Albenzyklus ab. Nachdem alles gestorben ist, die Seele sich ihren Weg durch die Finsternis gebahnt hat und alle Stufen des Zyklus durchlaufen ist, ist das Ende, das große Finale gekommen und in Chorälen verabschieden sich Junius in einem hypnotischen Gewitter von den Hörern.
Wir wissen nicht, wie es nach drei Alben letzten Endes für die wandernde Seele ausgegangen ist, doch mit „Eternal Rituals For The Accretion Of Light“ haben Junius einen mächtigen musikalischen Schlussstrich unter ihr Konzept gesetzt, der bis auf kleine kunstvolle Macken rund ist. Vielleicht braucht man ein paar Durchgänge, um auf alle Facetten dieses Werks aufmerksam zu werden, doch für mein Empfinden haben Junius gezeigt, dass sie auch unter personellen Schwierigkeiten eine fabelhafte Arbeit liefern können; auch, wenn es seine Zeit gedauert hat. Gut Ding will schließlich Weile haben.
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