Chelsea Wolfe – Hiss Spun

Chelsea Wolfe – Hiss Spun

Die Tage werden kürzer, das Licht wird grauer und es wird Zeit für ein neues Chelsea Wolfe Album. Hiss Spun ist das mittlerweile fünfte der 34-jährigen Kalifornierin und vor Kurzem bei Sargent House erschienen. Und es ist, wie immer bei der Sängerin, ein Ritt, der es in sich hat.

LP kaufen Vö: 22.09.2017 Sargent House

Die Gitarrenwände, der brachial gezerrte Bass ihres Co-Produzenten und Bassisten Ben Chisholm, die treibenden Beats von der wiedervereinten Drummerin Jess Gowrie, die Gastauftritte von QOTSA’s Troy Van Leeuwen und Isis-Sänger Aaron Turner, all das webt ein finsteres, verzehrendes Klangnetz, das den Hörer einfängt, einlullt, mit in den Abgrund zieht und erst nach den zwölf Liedern wieder frei gibt.

So sehr es Chelsea Wolfes ganz eigene Welt ist, so verwundbar und zugänglich gibt sich die Sängerin. Die Musik ist hier nicht der laute Vorhang, hinter dem sich versteckt wird, sondern gleich berechtigt mitleidend und mitreißend. Der Einstieg ist mit Spun und der Vorabsingle 16 Psyche schleppend und bohrt sich in der graue Herbstseele des Plattenkritikers. Gitarren wurden tiefer gestimmt, Schlagzeuge härter geprügelt und Bässe dreifach eingespielt. Die Wand, die über die Hörer rollt, macht keine Gefangenen.

Vex gibt sich ähnlich flächig, hat aber eine ganz zauberhafte Sperrigkeit, unterstützt vom Isis-Sänger, der seine ganze Wut über den Namensklau aus Syrien im Chorus heraus growlt. The Culling ist zusammen mit Twin Fawn das Epizentrum dieses akustischen Erdbebens. Hier bauen sich zart und unschuldig Wogen voller Wut, Schmerz und Verzweiflung auf, die erst im letztmöglichen, die Grenze des Aushaltbaren fast schon überschreitenden Moment mit aller Wucht losbrechen und an der Brandung der leidenden Gehörgänge zerbrechen.

Überhaupt, das wichtigste Element von Wolfes Musik, die Zeit, die sie sich lässt, um Atmosphären zu weben, zu verdichten und wieder zu zerstören ist hier auf einem neuen Höhepunkt. Wie sich am Ende von Particle Flux alle Schleusen öffnen, Stimme und jaulende Gitarre sich quälend duellieren, das muss man erst mal verkraften. Offering verspricht eine kurze, monotone Verschnaufpause, aus der man dann aber erbarmungslos gerissen wird, sobald Static Hum seinen ersten Höhepunkt erreicht. Von dem geht es dann aber dynamisch steil abwärts, Welt ist eine verstörende Klangkollage mit bitter-zartem Barpiano, das Chelsea in all ihrem Schmerz untermalt.

Eigentlich könnte die Platte genau hier vorbei sein. Aber die Sängerin lässt es sich nicht nehmen, zumindest in einem Song ihren Folk-Wurzeln zu huldigen. Two Spirit bricht zwar aus, wirkt im Albumkontext aber seltsam deplatziert, ein afterthought, der dann mit dem manischen Spirit aber wieder in die richtige Bahn gelenkt wird.

Wolfes Faible für alles Schwarze ist auf Hiss Spun auf dem Zenit. Zusammen mit ihren Musikern stellt sie sich den tiefsten Ängsten und schmerzhaftesten Vergangenheiten, lässt keine Wunde ungebohrt. Das nimmt mit.

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Von Veröffentlicht am: 24.10.2017Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018481 WörterLesedauer 2,4 MinAnsichten: 909Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Chelsea Wolfe – Hiss Spun
Von |Veröffentlicht am: 24.10.2017|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|481 Wörter|Lesedauer 2,4 Min|Ansichten: 909|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Chelsea Wolfe – Hiss Spun|

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Über den Autor: Julian Schmauch

Dozent für Musikproduktion an der Deutschen Pop und der EMS in Berlin. Autor bei BackstagePro, Bonedo und Reverb. Spielt bei Chaos Commute. Remixer, Songwriter und Sounddesigner.

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