BERICHT: Moving Noises Festival 2015| Christuskirche Bochum

BERICHT: Moving Noises Festival 2015| Christuskirche Bochum

Liebes Moving Noises Festival,

im November 2013 haben wir uns kennengelernt. Es war gleich Liebe auf den ersten Blick. Du hast mich verzaubert mit deinem Charme (Publikum), deiner tollen Figur (Christuskirche), deinem Make-Up (Beleuchtung), deiner wundervollen Stimme (Sound), aber vor allem mit dem, was du so von dir gibst (Bands). Du hast mich mitten ins Herz getroffen und ich habe sehnsüchtigst auf ein Wiedersehen gehofft. Jetzt, am letzten Samstag war es so weit. Du hast dich wieder fein gemacht, ich habe dich besucht und das Gefühl vom letzten Mal war sofort wieder da. Und weil wir mittlerweile so vertraut sind, verzeih ich dir einfach alles. Ja es ist Liebe. Und aus diesem Grund möchte ich dich fragen, ob du etwas dagegen hast, wenn ich bei deinen Eltern, den Midiras, um deine Hand anhalte. Möchtest du mein Festival werden und für immer mein sein?

Deine PiN Autorin Sibylle

BERICHT: Moving Noises Festival 2015| Christuskirche Bochum

Ja, ist ja gut. Bin schon fertig. Kurz zur Musik. Eigentlich verbieten sich hier Einzelkritiken, das Gesamtbild zählt und das war überragend. Bei seiner großen Liebe bewertet man auch nicht die einzelnen Gesprächsteile nach einem Date. Aber okay, die Chronistenpflicht.

Silver Graves
Ein Kodiak Nachfolgeprojekt zum Auftakt. Letztes Jahr gabs die Kodiak Nachfolger Nightheart, jetzt halt Silver Graves. Mittlerweile bin ich mir sicher, daß man besser die alte Band fortgeführt hätte. Silver Graves bieten Gitarre und Elektronik. Für Drone schon fast zu gniedelig. Zum Einstand okay, man war gleich ‚drinne‘ im Moving Noises Feeling, aber es hatte auch seine Längen. Das letzte Stück, bei dem es ein paar schöne deepe Beats gab, hat sich aber gelohnt. Das kann man so fortführen.

RM 74
Eine angenehme Steigerung zum Vorgänger Silver Graves waren dann RM 74 aus der Schweiz. Zu den elektronischen Sounds, die wesentlich dichter und feingesponnener waren, kam diesmal ein Bass dazu. Leider nervte der Bass auf Dauer. Immer wieder der Anschlag auf den Nachhall des Delays. Das war auf Dauer zu viel. Folgerichtig war das Stück ohne Bass dann auch das Beste. So basslos würde ich gerne mehr von denen hören.

Tape Measure Kid
Kollege Hellmut alias N mal anders, noisiger. Bei Tape Measure Kid spielt er zusammen Jim Campbell, der recht noisige Elektronik zu Hellmuts Gitarre beisteuert. Die ganze Geschichte funktioniert nicht wie erwartet, daß Jim den Lärm macht und Hellmut als Kontrast seinen typischen fließenden Dronesound beisteuert, sondern beide schaukeln sich gegenseitig in einen kleinen Noiserausch, der aber nie konturenlos und einfach nur laut wird. Das ist alles wohl dosiert und hervorragend komponiert. Ab und an gibt es klitzekleine Elemente, die sich lautstärketechnisch nicht ganz ins Gesamtbild einfügen wollen, aber das ist vernachlässigbar und auch wirklich der einzige Kritikpunkt. Auf jeden Fall sprengte es die Hörgewohnheiten. Immer, wenn etwas das Gefühl hervorruft: „Geil, sowas haste auch noch nicht gehört“, dann bin ich ja begeistert und das war hier der Fall. Definitv eines der Highlights des Festivals.

Dirk Serries
Eines der Highlights bei der ersten Ausgabe war Dirk Serries aka Microphonics, Vidna Obmana, Fear Falls Burning..Wieder einmal war es schön anzusehen, wie Dirk mit seiner Gitarre auf der Bühne verwächst, sich um sie rumwindet, ein inniges Verhältnis mit ihr eingeht, mit ihr swingt. Dazu Dirks gewohnt wunderschöne Sounds, die im Vergleich zu den noisigen Kids vorher einen riesigen, weil sehr ambientösen Kontrast boten. Aber vielleicht war genau das das Problem, daß diesmal nicht das intensive Gänsehautfeeling aufkommen wollte. Mit diesem Kontrast wirkte Dirks Sound einfach zu ein wenig zu seicht. Bei einer anderen Abfolge wäre da vielleicht mehr drin gewesen, auch wenn der Auftritt tatsächlich sehr gelungen war.

Dann eine Stunde Pause, es gab Kalbsdöner und Eistee am Bermuda-Dreieck mit einer zauberhaften Begleitung.

Machinefabriek
Ein Mann mit Elektronik und Rechenknecht. Das ganze begann sehr experimentell und sehr geräuschig. Field Recordings, Geknister, Geknorze. Egentlich nicht unanstrengend, mehr etwas für den Kopf als für den Bauch. Das kann live schwer nach hinten losgehen. Im Kontext Moving Noises, weiß man aber, worauf man sich einlässt. So machte das ein irres Gefühl in der Birne. Es gab nur diese kleinteiligen Sounds, die den ganzen Kopf erfüllten. Eine irre Erfahrung. Und einen inneren Spannungsboden gabs dann auch noch, als es zum Ende hin noch droniger wurde. Kann man so lassen und würde ich mir auch solo nochmal anschauen.

Nadja
So oft ich Aidan Baker schon live gesehen habe, das war mein erstes Mal mit Nadja. Nadja spielen ihr Album „The Bungled & The Botched“. Zwei 30 Minuten lange Stücke, die eine irre innere Dramatik haben, Wall of Sounds, dazu unterstützend in den lauten Parts Beats mit sehr geilen Breaks. Sehr laut und man hatte nachher den Eindruck, regelrecht gefönt worden zu sein. Das wirkt live noch einmal wesentlich intensiver als auf Platte. Eine Urgewalt von einem Konzert. Eins mit Sternchen.

Piiptsjilling

Ganz anders dagegen Piiptsjilling. Das Personal ist bekannt, da es sich um die Kleefstra Brüder vom Alvaret Ensemble plus Rutger Zuydervelt aka Machinefabriek handelt. Rutger macht wieder die Geräusche, diesmal noch leiser, ein Kleefstra ist für die zarten Gitarrendrones verantwortlich und der andere rezitiert sehr zurückhaltend mit seiner wundervoll angenehmen Sprechstimme selbstgeschriebene Texte auf Nordfriesisch (!!!).

Alles wirkt zerbrechlich, sehr zart, sehr leise, für manche sogar schon zu leise.Die geräuschigen und die dronigen Elemente ergänzen sich wunderbar und die fantastische Stimme gibt dem ganzen noch den richtigen Kick.

Gänsehaut vom Allerfeinsten und wo man bei Nadja auf sehr laute und heftige Art und Weise gefönt wurde, schaffen Piiptsjilling das auf eine ganz softe und leise Art. Die sehr hohen Erwartungen übertroffen und einen neuen Fan gewonnen. Was will man mehr.

Piiptsjilling

Piiptsjilling

Mohammad
Ein griechisches Projekt mit 2 E-Cellos und einem bassähnlichen Dings. Es werdem immer wieder die selben Melodiebögen gespielt (und zwar alle drei im Gleichklang), die man schon lange aus dem Drone-Doom Universum kennt, das Earth und Sunn O))) dereinst erschufen. Die Zeit für so etwas ist wohl vorbei. Nach den unfassbar intensiven Momenten war das am Ende des Festivals nach über 8 Stunden Musik eine echte Prüfung. Auch hier wäre eine etwas andere Platzierung in der Setlist sinnvoller gewesen, da man einfach mit den vorherigen Acts sowohl emotional als auch musikalisch nicht annähernd mithalten konnte. So war dann die vorherige Euphorie etwas weg und es trübte sogar ungerechterweise ein klein wenig den Gesamteindruck.

Aber seiner ‚Braut‘ verzeiht man alles, nicht wahr meine Liebste? Wir sehen uns.

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Über den Autor: Sibylle Bölling

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One Comment

  1. Christian Hennecke 14.04.2015 at 18:54 - Reply

    Ich war selber leider erst ab Machinefabriek dabei, aber ab da sprichst du mir aus der Seele.

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