Stephen Malkmus im ausführlichen Gespräch mit prettyinnoise.de

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Der ehemalige Pavement-Fronter bringt mit seiner Band „The Jicks“ in diesen Tagen ein neues Album auf den Markt. „Sparkle Hard“ ist ein recht buntes und vielseitiges Album geworden. Der Künstler selbst war kürzlich in Berlin und ich hatte die Gelegenheit, mit ihm zu telefonieren.


Stephen Malkmus ist ein überaus ruhiger, höflicher und angenehmer Gesprächspartner, das kann ich sagen. Von Rockstar-Arroganz oder sonstigen Allüren war absolut nichts zu spüren. Bevor das eigentliche Interview begonnen hat, habe ich ihm natürlich gestanden, dass ich seit meiner Jugend großer Pavement-Fan bin, aber darum sollte es ja nicht gehen…

Hi, wie geht’s Dir? Ich spreche zu Dir aus dem Gibson Showroom in Berlin.

Hey, ach ja?

Yeah, die haben uns das angeboten, es ist bequem und angenehm ruhig hier.

Das klingt ja echt gut. Die haben übrigens auch ein Ramones Museum in Berlin, warst Du da mal drin?

Ah, davon habe ich gehört, aber ich war nie da. Nicht mal als ich hier gelebt habe. Das sollte ich vielleicht mal machen (lacht). Gute Idee!

Ich habe kürzlich gelesen, dass Du jetzt in Portland lebst, stimmt das?

(gähnt) Ja, das stimmt! Wir leben da jetzt!

Wie ist es da im Moment?

Ja, da passiert gerade eine ganze Menge. Musikalisch, kulinarisch, die Food-Szene ist derzeit am bersten. (lacht)

So in etwa habe ich das auch in Erinnerung. Ich war vor einiger Zeit mal da und empfand es als absolute Hipster-Hochburg. Ist das noch so?

Ach naja, ich finde es ist gar nicht so anders als in Berlin, Williamsburg, London oder Manhattan. Da sind gerade einige junge Menschen mit ihren Innovationen unterwegs, die sich darauf spezialisiert haben, eher einfache Dinge perfektionieren, so wie Kaffee, Donuts, Junk Food oder Klamotten. Ich denke, das qualifiziert dich wohl schon als Hipster. Ja, genau das passiert dort gerade. Gute Skateboarder und so gibt es auch noch.

Ok, lass uns über Musik sprechen, vor allem über Dein neues Album. Es heißt „Sparkle Hard“ und das erste was mir dabei in den Sinn kam, war: „Der Titel klingt nach Glam-Rock“! Was bedeutet „Sparkle Hard“?

Das ist ein guter Gedanke mit dem Glam! Für mich gibt es einige Albumtitel, bei denen ich nicht so recht weiß, was sie bedeuten sollen. Ich will eine Albumtitel der einfach funktioniert. Zum einen klangt es für mich einfach positiv und zum anderen ist es wie eine Gebrauchsanweisung, es sagt Dir was Du tun sollst, es ist selbstbewusst. Die Musik sollte Dir sagen, was Du zu tun hast und nicht umgekehrt. Für mich generiert der Begriff auch ein paar lustige oder absurde Bilder, die auftauchen, wenn ich an ihn denke. Das ist wie wenn Du Dir viel zu schwere Stiefel anziehst, die Dir die Beine brechen, weil Du einfach so verbissen versuchst zu glitzern, dass Du etwas völlig absurdes tust. So wie die Leute derzeit auf Instagram. Die zeigen Bilder von sich und versuchen sich in Szene zu setzen, machen sich dabei aber nur lächerlich.

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Ich verstehe genau was Du meinst. Ich habe mir das Album einige Mal angehört und muss sagen, es ist sehr abwechslungsreich. Es scheinen hier sehr viele Einflüsse aus den unterschiedlichsten Genres eingearbeitet worden zu sein. War das Absicht, oder ist das einfach so passiert?

Weisst Du, für mich klingt das gar nicht so abwechslungsreich. Für mich klingt es, als käme alles aus einem Guss. Ich habe mich einfach bemüht, beim konzeptioniren der Musik nicht zu viel auszuprobieren. Ich wollte ein Album mich einem durchgehenden Zusammenhang schaffen, ohne dass man immer den gleichen Song hört.

Das macht ja ein gutes Album aus!

Ja klar! Ich habe das Album gemacht und ich versuche es gerade zu verkaufen. Ich finde einfach, dass es richtig cool klingt, wie es klingt.

Apropos Einflüsse: Du hast kürzlich das „Ege Bamyasi“ Album der deutschen Krautrocker CAN live aufgeführt.

Ja, das stimmt! Ich habe das für meinen Freund Jan Lankisch aus Köln gemacht. Da gibt es das Week-End Festival, mit einigen echt coolen Acts. Er steckt da jede Menge Arbeit rein und er ist ein Fan von mir, also ein Fan von ganz unterschiedlicher Musik, aber eben auch von mir. Er meinte, es gäbe da diese Band „Von Spar“, mit der ich als Backing Band einmal Damo Suzuki (Sänger von CAN) sein könnte. Sich sowas total experimentellem und speziellem wie der Musik von CAN, einfach aus Spaß anzunehmen, erschien mir zu verrückt. Ich wollte auch erst nicht, aber dann haben wir’s aber doch gemacht und die Leute von CAN kamen auch vorbei, sogar Jaki Liebezeit (Drummer von CAN Anm. d. Verf.), der ja auch kürzlich verstorben ist. Für mich war das dann sozusagen ein „Fan Boy fun thing“.

Das hört sich so an, als hätte das tierisch Spaß gemacht.

Ja, das hat es. Und es hat offenbar so gut gefallen, dass man sich entschlossen hat, den Konzertmitschnitt als limitiertes Album rauszubringen.

Ach was?

Ja, die haben ein Album gemacht, mit etwa 500 Exemplaren. Die Qualität des Auftritts ist zwar diskutabel, das war in dem Moment toll, aber ob ich das unbedingt gebraucht hätte, weiss ich nicht. Aber die anderen wollten es, also habe ich grünes Licht gegeben.

Cool, vielleicht bekomme ich noch ein Exemplar.

Ja Mann, such danach bei Ebay, das sollte nicht mehr als 30 Euro kosten.

Ich habe noch eine Frage bezüglich Deiner musikalischen Einflüsse. Beim Song „Kite“, einem meiner Favoriten auf dem Album, ist mir aufgefallen, dass er sehr „britisch“ klingt, also nach dem typischen, britischen Prog-Rock der 1970er Jahre, etwa dem “Canterbury Sound“. Vor allem sticht er auch so ein bisschen aus den anderen heraus. Zählt die Art von Musik auch zu Deinen persönlichen Einflüssen?

Ja, ich mag diese Art von Musik, also manchmal. Sowas wie Gentle Giant, wobei, die gehen mir manchmal zu weit. Aber ich mag The Soft Machine, das erste Album von Caravan, King Crimson, damit macht man überhaupt nichts verkehrt. Bands wie GONG oder Steve Hillage, letzter hat einen wunderbaren Song namens „Fish Song“, den liebe ich, den musst du dir anhören, der ist völlig krank. Ja, das Intro, bei dem ich das Mellotron spiele, geht schon voll in diese Richtung. Aber später wird das eher zu einem Hot Chocolate Funk Song, dann gibt es einen Krautrock Jam und alles wird dann zu einem americana-artigen Neil Young Stück. In diesem Song steckt echt eine Menge Information (lacht).

Siehst Du, das meinte ich mit abwechslungsreich.

Ja, da hast Du allerdings recht.

Mein absoluter Favorit auf dem Album ist „Middle America“.

Sprich weiter! (lacht)

Ja, der hat mich am meisten gepackt. Allerdings muss ich gestehen, dass ich überhaupt keinen Plan habe, worum es in dem Song geht.

Du bist sicher ein riesen Softie, der feine Melodien mag und Gefühle und so, richtig? Das ist völlig in Ordnung für mich! (ich stelle mir vor, wie er sehr breit grinst) Ok, es geht um eine Mischung aus Ohnmacht und Sehnsucht, aber das sind auch ein paar sehr konkrete Zeilen drin. Es ist hier aber eine gute Sache nicht zu wissen, worum es geht.

Verstehe. Genauso ist es übrigens mit „Solid Silk“, den ich ebenfalls sehr mag.

Ja, der klingt fast wie ein Song auf LOVE’s Forever Changes (geiles Album, Anm. d. Verf.), ich liebe die Streicher, da haben wir etwas völlig Neues ausprobiert. Zusammen mit den Led Zeppelin Spätphasen-Gitarren und dem Solo ist das eine schräge Kombination. Ich mag den auch sehr gerne!

Die Lyrics sind in meinen Augen sehr metaphorisch und gewissermaßen kryptisch und sie erinnern mich an die von Tom Waits.

Das könnte sein, ja. Die Lyrics starten mit einem Aufhänger, so nach der Art „Zeichne deine eigene Szenerie“. Stell dir das schöne Mädel vor, in der Prärie, unter dem Mond. Der Song geht los wie ein typischer Western- oder Jackson Browne Song, aber dann scheint irgendwie alles schief zu gehen. Das Bild von dem schönen Mädchen unter dem Präriemond kann in dieser Welt nicht bestehen bleiben, verstehst du? (lacht schrill)

Ich wollte sagen, dass es ein sehr bildlicher Song ist.

Ja, so war das gedacht.

Lass uns mal über den Song „Bike Lane“ sprechen. Der klingt für mich sehr nach Glam Rock.

Der hat allerdings einen gewissen Glam Rock Beat und Marc Bolan typische Gitarren in der Mitte. Aber die Lyrics gehen in eine ganz andere Richtung.

Genau, da geht auch die nächste Frage hin. Du erwähnst Freddie Gray (Afro-Amerikaner, der in Baltimore in Polizeigewahrsam unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen ist) im Text.

Ja, das ist total scheiße, was da mit ihm passiert ist. Ich habe über seine Story gelesen und ich weiß nicht, warum ich ihr so viel Aufmerksamkeit geschenkt habe. Vielleicht, weil ein paar Freunde von mir aus Baltimore via Twitter völlig ausgerastet sind. Die waren außer sich, wie unfair und wie mies die Geschichte ausging. Ich meine, es gibt viele solcher Beispiele die zeigen, dass hier im System einiges schief läuft, also bei der Polizei, die in diesen Gegenden unterwegs ist. Die Geschichte ist Ausdruck der Unterschiede in der Gesellschaft, verstehst Du? Und ich, ich fühle mich dann schmutzig, wenn ich mir mal Gedanken um Fahrradwege mache, während solche Dinge in der Welt passieren.

Ja, es klingt ganz schön bitter.

Ich habe versucht es clever auszudrücken, in dem ich so tue, als würde ich mich über einen Fahrradweg aufregen und die armen Cops bedauern, die sich ständig um solche Dinge kümmern müssen. Ein bisschen wie in „Happiness is a warm gun“ von den Beatles.

Ich habe genau noch zwei Fragen. Die erste dreht sich um Schallplatten. Da Du ja ganz offensichtlich ein großer Freund von ganz vieler, unterschiedlicher Musik bist, wollte ich wissen, ob Du auch einer dieser Schallplattensammler bist. Vinyl ist ja derzeit wieder ganz groß im Kommen.

Ja schon, aber es wird tatsächlich gerade weniger. Ich komme in ein Alter, in dem man einfach zu viele Dinge besitzt. Ich weiss nicht, wie alt Du bist, aber ich glaube nicht ganz so alt wie ich. Ich werde langsam sehr wählerisch bei den Dingen, die ich mir nach Hause hole, aber ich habe einen riesen Haufen Schallplatten, eigentlich viel zu viele, aber im Moment höre ich Musik nur via Stream. CDs habe ich irgendwie übersprungen und nie welche gekauft, das war wohl nicht mein Medium. Ich ging quasi von Vinyl direkt zum Streaming über (lacht).

Das ist wohl die Zukunft.

Ja, leider. Ich meine, ich liebe es Platten zu hören. Unabhängig davon, ob Streaming jetzt gut oder schlecht ist, wir als Künstler wollen unterstützt werden, sonst können wir keine Musik mehr machen. Nicht, dass ich jetzt betteln will, aber wenn Dir ein Künstler gefällt, solltest Du seine Alben kaufen.

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Ja, deshalb bin ich ja permanent pleite.

(lacht) So geht es uns allen. Nur offenbar aus unterschiedlichen Gründen. (lacht)

Ok, eine letzte Frage. Da du ja schon oft in Deutschland warst, möchte ich von Dir wissen, was das deutscheste ist, was du dir vorstellen kannst.

Oh, wenn ich nur mehr Zeit hätte darüber nachzudenken.

Was dir als erstes spontan in den Sinn kommt!

Ok, ich war schon immer beeindruckt von den großen Fußballspielen, wie FC Bayern gegen Chelsea und von den Leuten, die diese Matches gefeiert haben. Wenn z. B. Bayern München verliert, obwohl sie eigentlich viel besser gespielt haben, waren die Fans immer recht entspannt. In England oder den USA wären die Leute wesentlich besoffener, würden heulen oder sich prügeln.

Äh, naja, das ist eigentlich eher die Ausnahme in Deutschland. (ich lache)

Alle die ich erlebt habe, sind cool geblieben. Davon war ich sehr beeindruckt.

Gut, dann sind wir auch am Ende. Ich bedanke mich ganz herzlich für Deine Zeit! Ich hoffe, wir können das mal wiederholen, ich habe noch einen Berg weiterer Fragen an Dich. Mach’s gut, bis bald.

Alright, vielen Dank. Wir hören voneinander. Bye.

Titelbild: (c) Giovannu Duca

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Von Veröffentlicht am: 19.05.2018Zuletzt bearbeitet: 19.05.20182061 WörterLesedauer 10,3 MinAnsichten: 1061Kategorien: InterviewsSchlagwörter: 0 Kommentare on Stephen Malkmus im ausführlichen Gespräch mit prettyinnoise.de
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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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