Labels im Porträt: La pochette surprise records

Labels im Porträt: La pochette surprise records

Unsere neue Reihe „Labels im Porträt“ erlaubt mir endlich das im Sommer 2012 gegründete Hamburger Tape Label „La pochette surprise records“ vorzustellen.


Heute zeichnet sich La pochette deutlich als heißes Getriebe und unaufhaltsamer Pusher der Hamburger Subkultur ab.

La pochette surprise records

Velvet Bein

Ich habe mich mit Velvet Bein (28), La pochette surprise Gründungsvater, in einer von ihm favorisierten Musik-Bar (Komet), zwischen hart arbeitenden Prostituierten, S&M Clubs und der Elbe getroffen und wir haben das alte Frage & Antwort Spiel gespielt und anschließend einen ausschweifenden Abend verlebt.

Im Komet: Geräusche einander zuprostenden Bierflaschen und ein angenehmer Jacco Gardner aus den Boxen!

Grüß dich Velvet!

Moin!

Velvet, man sagt ja, dass fast jede wichtige Entscheidung in unserem Leben eigentlich nur ein Ausdruck der Hoffnung sei, basierte deine Entscheidung ein Label zu gründen auch auf eine Art Hoffnung oder was war dein Arsch-Tritt-Faktor dazu?

In der Tat hatte es ein bisschen was mit Hoffnung zu tun, weil damals, als ich in diese Musikszene in Hamburg reingekommen bin, gab es halt nicht so viele Bands als wir mit Sick Hyenas (eine, der insgesamt vier Bands, in denen Velvet spielt) irgendwie allen möglichen Kram supportet haben hier im Komet und Molotow und meine Hoffnung war damals, ich glaub das war noch eher unbewusst, dass es wieder so eine Szene gibt an jungen Leuten, die Bands gründen und in den Läden spielen, in die man eh die ganze Zeit geht und die dann da als Vorband sieht oder irgendwann sogar als Hauptband. Dass einfach wieder eine Gemeinschaft und ein Netzwerk von Leuten entsteht und genau das ist auch über die letzten Jahre einfach passiert, also von einer Band, die es damals quasi gab bis hin zu, keine Ahnung, acht oder zehn Bands, die jetzt hier ihr Unwesen treiben.

Du beschränkst dich bewusst auf das Medium Kassette. Ich höre immer noch viele Menschen über Tape-Releases jammern „Qualität ist doch scheiße“ und/oder „Kassette hat doch kein Mensch mehr“ …kläre diese Menschen doch kurz auf, warum du dich für dieses Medium entschieden hast…

Damals war es das einfachste was man machen konnte neben einer CD und ich fand CDs schon immer unattraktiv. Es ist halt einfach nur so ein hohler Datenträger, den du befüllen kannst..da kannst du Bilder raufpacken, da kannst du Filme raufpacken und es sah immer irgendwie billig aus, war immer so ein Plastik-Ding; Kassette ist auch aus Plastik aber das ist noch so eine kleine Maschine, da bewegt sich was, du hörst es rattern und genauso wie bei einer Schallplatte hast du auch dieses knistern. Die Frage nach der Qualität, da streiten sich die Geister, glaub ich, genauso wie bei einer Schallplatte. Zu mir kamen auch schon Leute und meinten, dass die Musik auf Kassette deutlich geiler klingt als irgend so ein Download oder Stream. Schallplatten zu pressen war damals nicht im möglichen finanziellen Rahmen, weil es einfach viel zu teuer ist und Kassette, das konntest du halt auch als kleine Band einfach stemmen, so mal schnell hundert Kassetten zu machen; das ist halt bei einer Schallplatte nicht so und CDs waren irgendwie immer raus; es kann vor allem auch jeder irgendwie zuhause machen…jeder kann eine scheiß CD brennen.

Wenn ich mir die Bands, die du mit La pochette surprise bis jetzt aufgenommen hast, so durchhöre, fällt mir auf, dass ich alle Bands ausnahmslos so durchlaufen lassen könnte, ohne den akuten Drang zu verspüren weiterskippen zu müssen, das ist für mich so wie damals als ich mir blind alle Epitaph-Bands gekauft habe, weil ich aus Erfahrung wusste, die haben nur geilen Scheiss…da frag ich mich, hast du bei den Bands, die du aufnimmst eine Art roten Faden drin und nimmst du nur Bands auf, die du auch privat hören würdest?

Also, einen roten Faden gab es vielleicht am Anfang, weil es sich ein bisschen mehr im Garagen-Bereich gefunden hat, mittlerweile bin ich davon auch weg aber wenn ich die Bands selbst aufnehme, nehme ich meistens auch nur Bands auf die ich wirklich mag und dann kann das auch mal…, also Musik muss mich irgendwie überzeugen und bei den Leuten mit denen ich zusammenarbeite überzeugt mich die Musik einfach. Es geht auch nicht unbedingt darum jetzt die möglichst geilsten Bands irgendwie rauszubringen sondern auch einfach ein Netzwerk an Leuten zusammen zu bringen und zu kreieren anstatt zu sagen „Ey, ich nehme euch nicht auf, ich habe schon so eine Band“ oder „Ihr klingt mir zu sehr nach… und das gefällt mir nicht“, ich mag einfach das die Leute eigenständig hinterher sind Musik zu schaffen und das find ich, ist irgendwie wichtiger und lohnenswerter als das, was hinterher tatsächlich rauskommt und bis jetzt ist nur guter Kram rausgekommen….

Auf jeden Fall, das kann ich bezeugen! Und wo genau nimmst du die Bands auf?

Überall! Also ich habe kein Studio oder sowas, ich nehme sie meistens dann im Proberaum auf oder bei Martin im Bauwagen (Drummer von Swutscher; stellt seinen Wohnraum auch gern mal als Aufnahmeort zu Verfügung) habe ich jetzt mehrere Bands aufgenommen…also überall wo Platz ist, wo die Band sich auch einfach wohlfühlt. Ein Studio kann manchmal ganz schön einschüchternd sein und es hemmt dann einen so ein bisschen in der Kreativität und die meisten Bands haben eh kein Geld um sich ein großes Studio zu leisten. Meistens sind es ja auch die ersten Aufnahmen die ich mache; die Bands würden vielleicht bisschen besseres Equipment und alles verdienen um halt noch geiler zu klingen aber man kriegt mit den kleinsten Mitteln eigentlich immer ziemlich gute Resultate hin und die Bands freuen sich einfach überhaupt erstmal hörbare Aufnahmen zu haben, die jetzt nicht so klingen wie mit dem Handy aufgenommen.

Wie finanzierst du das Label und gab es da schon mal Liquiditätsengpässe, Geldsorgen?

Also ich habe angefangen einfach mal Tapes zu machen, die habe ich damals noch selbst überspielt, da waren die Kosten noch relativ gering und das, was nachher die Kassette an Gewinn abwirft geht halt in den Topf und aus diesen Topf finanziere ich halt andere Sachen. Es gab aber auch schon Zeiten, wo ich eine Kassette rausgebracht habe und die hat sich nicht so schnell verkauft, dann habe ich halt Freunde gefragt oder aus meinem persönlichen Portemonnaie halt nochmal Geld reingesteckt, das dann aber immer wieder zurückkommt. Teilweise finanzieren die Bands es auch selbst; also wenn ich jetzt irgendwie viele Veröffentlichungen habe, wie es gerade war, innerhalb von 3 Monaten-5 Veröffentlichungen zu machen…das Geld habe ich dann auch nicht weil so schnell verkaufen sich die Kassetten nicht. Der Gewinn ist ja auch nicht so enorm an einer Kassette aber es finanziert sich mittlerweile so, das genug reinkommt, dass ich die nächsten Sachen machen kann und manchmal mach ich auch so Deals- ich nehm eine Band auf und dann scheiß ich drauf dass ich Geld dafür nehme weil ich würd das Geld ja eh wahrscheinlich in die Kassette stecken, dann sag ich „Ey, behaltet das Geld und zahlt das Tape einfach selbst und gebt mir dann ein paar ab, so fertig ist´“. Da macht die Band auch noch die meiste Kohle mit, das find ich gut, weil die Bands sind immer der Grund warum, ja.

La pochette surprise ist ein One-Man-Label, wieviel deiner Freizeit geht dafür drauf?

Alles (lachen)! Nein, also wenn man einmal so ein bisschen weiß was man machen muss…die Bands liefern mir ihre Album-Sachen an, ich kriege das Audio-Master, ich kriege das Artwork und ich mache letztendlich die Bestellung , überweise die Kohle und dann mach ich noch ein bisschen Pressearbeit aber das sind alles Sachen.., wenn du es 2, 3 mal gemacht hast, sind das im Internet relativ wenige Klicks und wie gesagt, das ist ein Netzwerk und mittlerweile kennen auch gewisse Blogs dies Label und denen schick ich die Sachen und die melden sich daraufhin und dann schreiben die darauf..also es spricht sich halt einfach rum und mehr und mehr Leute kommen darauf zu und von daher sind es immer nur so ein paar Hebel, die ich in Bewegung setze und das war es dann auch. Aber natürlich, es ist viel Arbeit; aber das lässt sich überall immer mal in einer freien Minute irgendwo unterbringen und ich mach´s halt gerne, von daher.

Cheers erstmal!

Cheers!

Flaschen klirren/Allah-Las ertönen

Zum Thema Artwork, hast du Einfluss auf die Gestaltung der Cover und ist es schon mal vorgekommen, dass du Einspruch gegen ein Cover erheben musstest?

Also ich versuch eigentlich immer mich da sehr rauszunehmen, weil ich kein Label sein möchte, dass einen roten Faden oder dieses Einheits-Design hat. Ich finde das Cover muss immer zu der Band passen; klar sehe ich Entwürfe und gebe auch mal meinen Senf dazu, aber bis jetzt ist es noch nie vorgekommen, dass eine Band mir ein Artwork angeliefert hat und ich gesagt habe „Nee, das mache ich so nicht“, also da versuch ich möglichst frei zu sein aber da sind die Bands auch meistens so eigen und da kommt eigentlich immer nur cooler Kram raus und wenn mir irgendwas mal nicht gefällt,.. das kam bis jetzt noch nie zu großen Diskussionen deswegen. Und selbst wenn ich ein Cover vielleicht jetzt nicht zu 100% geil finde…ich kann trotzdem damit leben. Also ich finde, diese Gestaltungen von unterschiedlichen Künstlern zu haben, sieht nachher in der Diskografie viel geiler aus als zu versuchen „den eigenen Stil zu bewahren“.

Beschreib du doch mal kurz wie die Zukunft mit La pochette im Bestfall aussehen könnte…

Also mein großer Traum ist es, dass ich dieses Jahr auf jedenfall ein Vinyl veröffentliche und dann auch später mehr auf Vinyl gehe, weil ich das Format einfach sehr geil finde. Ich finde es gibt mittlerweile so wenig Labels, die so richtige Singles machen, so 7-inches weil sie halt einfach sehr teuer sind im Vergleich zum Album, zur Anzahl der Tracks… das ist auf jedenfall ein großes Ziel für die Zukunft; das hoffe ich auch dieses Jahr noch umsetzen zu können und dann einfach, dass es nicht aufhört, dass es Bands gibt, die mir geilen Scheiß anliefern den ich rausbringen kann (lachen)..das wäre das schlimmste, ein Label was halt keine Bands mehr kriegt (lachen)…

Da sehe ich bei dir aber keine Probleme…

Ich glaube auch nicht…

Ja, das wäre es, wir sind fertig…

Geil…

Letzte Frage. Was willst du trinken, ich geb´ einen aus….

Ich würde gern ein Kurzen Helbing nehmen…

Kriegst du. Danke für das Gespräch…

Danke auch…


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Anspieltipps:

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My Friend Peter

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Über den Autor: Matthias Prawinski

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