Labels im Porträt: Gönner Records

Labels im Porträt: Gönner Records

Kassel hat in letzter Zeit ziemlich viel Aufsehen erregt.Erst im April dieses Jahres hat ein Unbekannter nachts einfach so einen Fußgängerüberweg auf die Straße gemalt. Die Farbe ging nicht mehr ab, das war ärgerlich; der Täter ist immer noch auf freiem Fuß.


Umso erfreulicher (für den allgemeinen Stimmungsausgleich), dass sich in Kassel, musikalisch gesehen so einiges tut und ich rede nicht nur von großartigen Bands, die seit einiger Zeit plötzlich an der Oberfläche erscheinen wie (auf ihre Triebe) abgestumpfte Menschen aus dem Goldenen Handschuh zur Nachmittagszeit nach einem anständigen Gelage; nein, auch das Tape-Label Gönner Records lässt gerade viel und gerne von sich reden.

Gönner Records wird von den Bandmitgliedern zweier Bands betrieben; Catch As Catch Can und Counts On Crack. Beide Bands haben ihre Wurzeln im Garage-Sektor und sind bisher damit schon gut rumgekommen.

Zwei von den Gönner Jungs (Patrick und Jonathan), habe ich immer wieder mal hier und da auf Konzerten getroffen, auf denen sie entweder A. selbst aufgetreten sind oder B. sich frönend der Musik volllaufen lassen und mit erhobenen Fäusten den Namen des Herrn in den Dreck gezogen haben; manchmal haben sie auch A und B gekonnt kombiniert.

Die Karaoke-Trash-Night im Komet hat Patrick sirenenhaft nach Hamburg gerufen und in Hamburg habe ich ihn auch getroffen, unweit des Komets‘ in Mary’s Treff, einer über 40 Jahre alten Pinte wo so manche Träume geplatzt zu sein scheinen. Ein schöner Ort um vorzutrinken und mit Stammgästen über die Reeperbahn herzuziehen („das ist auch nicht mehr was es einmal war…“). Um 0.30 Uhr dann, nachdem eine Frau in einem zu knappen weißen Kleid einen aufdringlich gewordenen Gast aufforderte, seine Hosen runterzuziehen und tatsächlich 4 Sekunden darauf wie bekloppt mit einem Rohrstock (wo hatte sie diesen bloß so schnell her??) auf seinen blanken Hintern eingedroschen hat, entschieden wir dann doch das Interview andernorts zu verlegen. Wir landeten auf einem Treppenabsatz um die Ecke…


Hey Patrick, schön dich zu sehen! Na, hast du Spaß?

Ich habe auf jeden Fall Spaß! Ich habe ein schönes Wochenende hinter mir, wir haben zwei wunderbare Konzerte in Berlin gespielt mit Catch As Catch Can, es war mega entspannt und wir feiern heute den Geburtstag meiner Freundin. Jakob, ein Kumpel (Basser bei Counts On Crack), ist noch vorbeigekommen und haben richtig Bock auf Trash-Karaoke.

Hört sich gut an. Du weißt, dass Tapes seit einiger Zeit ihre Rückkehr aus dem nach Schimmel riechenden Lagerkarton feiern. Ich kann mir vorstellen, dass ihr das feiert. Was denkst du, Patrick, wie es dazu kam und hat diese Rückkehr euch in irgendeiner Weise beeinflusst ein Tape-Label zu gründen?

Also ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass Tapes tatsächlich solche Lücken gefüllt haben. Wir haben mit Catch As Catch Can unsere erste EP mega schäbig in unserem ersten Proberaum, der einfach eine Scheune war, aufgenommen und hatten dann die Idee das Ganze als Tape rauszubringen, weil wir gedacht haben kein Schwein kauft mehr CDs bzw. wollten wir auch keine CDs brennen. Und Vinyl war irgendwie ganz weit weg.

Wir hatten halt diese Idee eine Kassette zu machen und haben das Design von einer Drei-Fragezeichen-Kassette genommen, weil wir das witzig fanden.

Darauf gekommen dass Tapes wieder so richtig in sind, bin ich zumindest erst als wir mehr live gespielt haben mit Bands aus demselben Genre und ich dachte, okay, krass, jede zweite Band hat tatsächlich Tapes dabei und am Anfang habe ich so gedacht das ist total die lustige Idee von uns aber es war gar nichts Besonderes.

Du sagst Vinyl war für euch ganz weit weg, lag das nur am Geld?

Das Ding ist einfach, dass du auf Kassette alles DIY machen kannst mit relativ wenig Geld; du kannst Lo-Fi Aufnahmen machen, du kannst Lo-Fi Kassetten produzieren und Vinyl ist immer so eine Sache.., ich kenn mich nicht ganz so gut aus, aber ich denke wenn du da was hinschickst dann hast du keinerlei Einfluss wann das gepresst wird und sämtliche Presswerke sind nun mal total überlastet aber natürlich ist das auch eine Frage des Geldes. Wenn du als junge Band anfängst, hast du nun mal einfach nicht viel Geld und so eine Auflage die sich lohnt fängt irgendwie so bei 300/500 an und alles andere darunter gibt es auch fast gar nicht weil sich das für die Presswerke gar nicht lohnt und wenn du das aus eigener Tasche bezahlen musst und als Band noch kein Label hast, die das vielleicht mitfinanzieren oder ganz finanzieren, dann hast du keine Chance auf Vinyl rauszubringen. Tapes sind einfach eine schöne Alternative zu Vinyl.

Kommen die Bands eigentlich auf euch zu und sagen „wir haben von euch gehört, wir wollen bei euch aufnehmen!“ oder geht ihr auf die Bands zu, die euch gefallen und bietet euch an??

Wir gehen zu den Bands, die uns gefallen. Wir haben das Tape-Label gegründet als Kollektiv aus dieser Kasseler-Garage-Szene mit Counts On Crack, mit Catch As Catch Can mit Sick Teeth und so und wir halten einfach Ausschau nach Bands die uns gefallen. Jonathan (Catch As Catch Can, Gordon Bleu) wohnt eigentlich in Köln und ist gut mit der Band Pogendroblem befreundet, das ist eine richtig geile Punkband, die ihre EP schon auf CD draußen hatten und auf unsere Anfrage dann meinten „klar, mach das auf Tape!“. Ansonsten waren die anderen Sachen Releases von CACC, Counts On Crack, Sick Teeth und dazu haben wir uns noch 1,2 andere Bands dazu geholt. Es sind halt immer eher so die Bands mit denen wir gerne spielen und deren Musik wir feiern, das gehört auf jeden Fall auch dazu. Ich glaube, wir sind jetzt kein Label das zu wildfremden Bands hingehen würde und sagt: „Wir wollen euch auf jeden Fall releasen ohne dass wir irgendwas von euch gehört haben“ und es ist auch noch nicht oft, eher sehr selten, passiert, das irgendwelche Leute gesagt haben „Oh ja, Gönner Records! Macht mal Aufnahmen von uns!“. Da waren mal so ein, zwei Anfragen von Metal-Bands, wir wollen aber schon ungefähr in unserer Sparte bleiben.

Habt ihr ein Studio, eine Wohnung ohne Nachbarn oder wo nehmt ihr Bands auf??

Wir nehmen nicht zwangsläufig die Bands auf die wir auf unserem Label veröffentlichen. Eine Band hat Felix (Schlagzeuger bei Counts On Crack) aufgenommen, der kennt sich ganz gut mit Aufnahmetechnik aus, bzw. bildet er sich da selbst immer weiter und ist außerdem einer der Mischer in Kassel in der Goldgrube (der heißeste Live-Club in Kassel) …ja und das machen wir halt alles in unserem Proberaum in Kassel. Den Raum teilen wir uns mit CACC und Counts On Crack und machen darin halt in Ruhe unsere Aufnahmen, haben genügend Zeit und keiner labert uns rein. Aber bei solchen Bands wie Pogendroblem oder Sick Teeth,..die haben uns die Aufnahmen einfach zugeschickt und die fanden wir cool und haben gesagt „das machen wir“.

Thema Finanzierung. Wie läuft das bei euch? Werden die Kosten gerecht aufgeteilt oder habt ihr ein Mäzen, der euch unterstützt oder so?

Wir zahlen das alles aus eigener Tasche. Wir bestellen unbespielte Kassetten und lassen das Magentband auf die gewünschte Minutenanzahl zuschneiden. Ich habe mir mehrere Tape-Decks und ein Vorverstärker geholt, damit ich mehrere Kassetten auf einmal bespielen kann. Lediglich die Materialkosten tragen die Bands. Bei uns kommen nur die Arbeitskosten rein. Und dann haben wir promotionsmäßig das Glück, dass wir alle Tapes bei allen Konzerten immer mitnehmen dadurch dass wir alle so eng verwurzelt sind, so hat halt Counts On Crack sowohl von CACC als auch von Sick Teeth immer Tapes dabei und umgekehrt und so bringen wir das halt unters Volk. Aber das landet alles in einem Pool und wird nicht an Einzelpersonen aufgeteilt.

Ich stell mir das mit mehreren Menschen innerhalb eines Labels manchmal auch schwierig vor, wenn es um Entscheidungen geht. Kommt ihr da immer auf einen Nenner und wenn nicht, wie wird das geregelt? Faustrecht? Schere, Stein, Papier oder ähnliches?

Vielleicht hört sich das ein wenig komisch an, aber wir sind alle ganz gut auf einer Wellenlänge, was dieses Musikding angeht und es gab, glaub ich, noch nie irgendwelche ernsthaften Diskussionen, wir gehen da alle genau in dieselbe Richtung.

Wir waren gerade schon mal kurz bei Covergestaltung. Das Design eurer Tapes ist alles andere als eintönig; mal gleicht es einem Cover des Hörspiels der Drei-Fragezeichen, mal einfarbig in einem gemütlichen Orange.., wer kümmert sich um die Gestaltung? (Gegenüber in Mary’s Treff geht es jetzt so richtig ab mit alles übertönenden Schlager, der die Straße entlangschallt und Menschen um Ecken noch mitgrölen lässt, wir sind umzingelt von Wahnsinnigen)

Bei uns können die Bands ihr Album selbst gestalten. Wir vertrauen den. Beziehungsweise hat Jonathan für die Band Pogendroblem mal ein Cover gestaltet, ein Wendecover und eines der geilsten, das wir bei Gönner Records haben. Ansonsten, wie gesagt, lassen wir die Bands das gerne gestalten, das ist IHR Ding, das ist auch nicht einfach nur die Musik, das sind nicht nur 6,7 Songs auf ihrer EP, sondern da gehört auch die freie Gestaltung ihrer Cover dazu. Wir ballern einfach unser „GÖR“ und die Label-Nummer drunter und gut ist.

Da fällt mir das Catch As Catch Can Cover ein, auf dem ein nackter, rauchender Typ in der Badewanne…

…das bin ich (lachen)!

Haha, du kannst dich sehen lassen!

Das war bei Jonathan in Köln in seiner Bude. Ich glaube es war seine Einzugsparty. Wir haben ein paar schöne Tage gehabt und ja, ich liebe Badewannen (lachen) und ich habe selber keine und deswegen bade ich bei jeder Gelegenheit. Es war gar nicht meine Idee, sondern Jonathan’s. Wir waren uns mit dem ursprünglichen EP-Cover nicht sicher und dann hat Jonathan uns irgendwann einfach dieses Cover geschickt, welches er mehr oder weniger bei Paint oder so überarbeitet hat und wir haben das gesehen und alle waren so „Jo, nehmen wir“!

Inwieweit nimmt euch die Arbeit an dem Label in Beschlag? Hast du noch die Zeit dir zuhause etwas Ordentliches zu kochen oder bist du unentwegt fürs Label am Arbeiten?

Das ist schon noch überschaubar. Wir besprechen alle Sachen meistens wenn wir proben; Jonathan und ich wohnen auch quasi beieinander und er macht sämtlichen organisatorischen Scheiß, er schreibt Bands an und sowas. Wir haben auch vor einen Punk-Sampler zu machen für die Jonathan schon mehrere Bands angeschrieben und relativ viele Zusagen bekommen hat. Ich mach meistens halt die Überspielarbeit und das ist aber wirklich ein geringer Zeitanteil, ich mach das halt einfach wenn ich Zeit und Lust habe.

Dieser Name. Gönner Records. Mit manch einem habe ich lange hin und her sinniert ob Gönner Records eine sarkastische Ableitung von dem legendären Goner Records aus Memphis sein könnte oder kommt es einfach nur vom Verb (sich etwas) „gönnen“?

Es ist das mit Goner! Das mit „gönnen“ passt einfach gut mit dazu, aber es kommt von Goner Records.

Okay, letzte Frage..aaalso, wie stellt ihr euch eure Label-Zukunft im Bestfall vor???

Wir wollen da sein wo wir jetzt sind. Wir haben Spaß daran irgendwelche Sachen rauszubringen, die uns gefallen und unser Ding zu machen und selber noch zu spielen. Wir wollen einfach, dass wir genau den Aufwand haben mit dem Label den wir auch wirklich haben wollen, nicht zu viel und nicht zu wenig und wenn es einmal mehr wird soll es auch Spaß machen ansonsten würde ich es nicht mehr machen.

Zufrieden mit dem was man hat, löblich. Möchtest du noch irgendwen grüßen oder irgend etwas beichten?

Nee, nee, lass mal.
(lachen)
Ich glaube es würde nur so richtig heftige Scheiße bei rumkommen.

Dann bedankt für das Gespräch.

Kein Problem.


Anspieltipps:

Catch As Catch Can

Counts On Crack

Sick Teeth

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Von Veröffentlicht am: 23.05.2018Zuletzt bearbeitet: 23.05.20182012 WörterLesedauer 10,1 MinAnsichten: 922Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , , , 0 Kommentare on Labels im Porträt: Gönner Records
Von |Veröffentlicht am: 23.05.2018|Zuletzt bearbeitet: 23.05.2018|2012 Wörter|Lesedauer 10,1 Min|Ansichten: 922|Kategorien: Interviews|Schlagwörter: , , , |0 Kommentare on Labels im Porträt: Gönner Records|

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Über den Autor: Matthias Prawinski

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