Interview: Lygo über Schwerkraft, Schubladen und Chemnitz

Interview: Lygo über Schwerkraft, Schubladen und Chemnitz

Die Band Lygo aus Bonn veröffentlicht heute ihr neues Album Schwerkraft.

Grund genug für Pretty in Noise das Trio Lygo mit ein paar Fragen zu löchern und sie nach ihrer Schublade, ihrem neuen Album und dem derzeitigen Rechtsruck zu befragen.

Jan (Gesang, Bass) und Simon (Gesang, Gitarre) standen dabei stellvertretend für die Band Rede und Antwort.


Moin und herzlichen Dank für eure Zeit.

Simon: Hallo Paul, wir haben zu danken.

Böse Zungen (wie ich) würden eure Musik als Studenten-Punk für Menschen in Karohemden bezeichnen. Aber was macht ihr eurer Meinung nach für Musik?


Simon: Wir bezeichnen das was wir machen am ehesten als deutschsprachigen Punkrock. Und teilweise studieren wir oder haben studiert, aber das spielt wahrscheinlich gar nicht die entscheidende Rolle für deine Frage. Den Studenten-Punk Begriff hören wir jedenfalls nicht zum ersten Mal und wenn dir die Schublade weiterhilft, steck uns gerne da rein. Menschen mit Karohemden sehen wir auf unseren Konzerten sehr selten, aber es sind natürlich alle herzlich willkommen, egal was sie gerne für Kleidung tragen.

Neues Album, altes Pech. Beschreibt doch mal die die wichtigsten Themen, die auf Schwerkraft bearbeitet werden. Womit setzt ihr euch auseinander und was hat euch dazu veranlasst?

Jan: Lygo Texte haben meistens einen Bezug zu persönlichen und alltäglichen Dingen. Ein häufiges Thema ist die Selbstreflektion der eigenen Situation und der eigenen Probleme. Weitere Themen sind Gesellschaftskritik und Freundschaft. Sogar explizite Liebeslieder haben es auf das Album geschafft.

Simon: Wir haben uns bisher bei keiner Platte im Vorfeld auf Themen festgelegt. Wir schreiben halt drauf los und schauen, ob das zu dem passt, was uns musikalisch einfällt. Und natürlich beschäftigen uns auch Dinge, über die wir nicht schreiben. Wir sind auch gar nicht immer schlecht drauf.

Bleiben wir noch kurz bei Schwerkraft. „Gründe“ ist ein Lied, das seit Jahren oder eigentlich schon immer zu der deutschen Gesellschaft passt. Gerade aber in den letzten Tagen mussten wir in Chemnitz mit anschauen, wie groß dieser Hass ist und wozu der rechte Mob fähig ist. Was braucht unsere Gesellschaft, um damit fertig zu werden?


Jan: Wir müssen endlich aufhören, immer nur an uns und vielleicht noch unsere Freund*innen oder Familie zu denken. Niemand ist frei von Vorurteilen und Gedankenstrukturen, die wir durch äußere Einflüsse über die Jahre eingetrichtert bekommen haben. Aber wir müssen uns dieser bewusstwerden und es schaffen, diese Stück für Stück abzulegen. Da können wir in unserem Alltag schon gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus vorgehen. In so einem extremen Fall wie in Chemnitz müssen wir unsere Bequemlichkeit ablegen – ich nehme mich da selber nicht raus.

Habt ihr manchmal Angst vor dem, was da noch auf uns zukommen könnte?

Jan: Eine direkte Angst verspüre ich nicht. Aber Angst ist meistens erst da, wenn die eigene Existenz angegriffen wird. Ich mache mir eher Sorgen um die Menschen, die diese Angst berechtigterweise haben. Auf der anderen Seite lernen wir auf Konzerten oder Festivals immer wieder Menschen kennen, die eine ähnliche Vorstellung vom Leben und Zusammenleben haben wie wir. Das gibt einem doch noch Hoffnung.

Wofür steht eigentlich Lygo?

Simon: Wir erzählen gerne Lügengeschichten, wo der Name herkommt. Zum Beispiel, dass es die Anfangsbuchstaben unserer Vornamen sind oder dass es das griechische Wort für Lüge ist. Wahr ist, dass es einen ehemaligen britischen Admiral namens Raymond Lygo gibt und einen Gecko, Lygodactulus williamsi. Die haben aber beide nichts mit der Namensfindung zu tun gehabt.

Was macht euch als Band aus? Wie unterscheidet ihr euch von anderen Bands?

Jan: Musikalisch sind es die zwei Gesänge. Simon und ich singen beide und das zu gleichen Teilen. Als Band sind wir zusammen gewachsen. Wir kennen uns schon eine Ewigkeit und haben in dieser Band gelernt, unsere Instrumente zu spielen – oder auch eben nicht – und haben zusammen das ganze Drumherum kennengelernt.

Jetzt noch ein paar kleinere Fragen zum Ende:

 Sonic Ballroom oder Bürgerhaus Stollwerck?

Simon: Eher Bürgerhaus Stollwerck. Ich mag die Größe, da habe ich schon mehrere gute Konzerte gesehen und wir durften da dieses Jahr für The Baboon Show eröffnen. Im Sonic Ballroom war ich erst auf einem Konzert, bei Lord Folter, das war auch gut. Das sind aber beides nicht meine Lieblingsläden in Köln. Wenn ich eine Antwortmöglichkeit hinzufügen darf, dann sage ich Gebäude9.

Bestes Lygo Konzert aller Zeiten?

Jan: Leider haben wir das noch nicht gespielt, aber wir sind optimistisch, dass es irgendwann kommen wird. Vielleicht auf unser nächsten Tour im Oktober.

Was läuft im Bandbus rauf und runter?

Simon: Die meistgespielte Band ist wahrscheinlich Paramore. Das hat Daniel zu verantworten. In letzter Zeit waren wir aber viel mit Jans eigenem Bus unterwegs. Da ist so ein USB-Stick im Autoradio und solange niemand etwas anderes anmacht, läuft da immer das gleiche Minimal-Techno-Set.


Drei Dinge, die ihr mit auf eine einsame Insel nehmen würdet?


Simon: Sturzflug, Misere und Schwerkraft.
Jan: Damit wir davon was haben: Musikanlage, Plattenspieler und einen Liegestuhl
Simon: Okay, vielleicht sollten wir die Plattenauswahl doch nochmal überdenken.



Herzlichen Dank und schöne Grüße.

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Von Veröffentlicht am: 07.09.2018Zuletzt bearbeitet: 07.09.2018873 WörterLesedauer 4,4 MinAnsichten: 830Kategorien: InterviewsSchlagwörter: 0 Kommentare on Interview: Lygo über Schwerkraft, Schubladen und Chemnitz
Von |Veröffentlicht am: 07.09.2018|Zuletzt bearbeitet: 07.09.2018|873 Wörter|Lesedauer 4,4 Min|Ansichten: 830|Kategorien: Interviews|Schlagwörter: |0 Kommentare on Interview: Lygo über Schwerkraft, Schubladen und Chemnitz|

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Über den Autor: Paul Schall

Hat sich nach elfJahren an Köln gewöhnt, ist aber noch immer nicht 100% davon überzeugt. Mag gerne Pizza, Pasta und Punkrock, ist aber auch anderen veganen Spezialitäten und anderen Musikgenres nicht abgeneigt. Ist außerdem Fußballfan und ständig von vielem angepisst.

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