Im Gespräch mit Drangsal (Max Gruber) über sein erstes Mal auf dem Open Flair Festival

Im Gespräch mit Drangsal (Max Gruber) über sein erstes Mal auf dem Open Flair Festival

Die Fans standen nach dem Konzert Schlange zur Autogrammstunde bei Max Gruber, besser bekannt als Drangsal.


Dreimal so lange wie geplant war er mit seinen Fans im Gespräch auf dem Open Flair Festival 2018 in Eschwege. Wir trafen Max im Anschluss im Pressezelt und plauderten mit ihm in entspannter und lockerer Atmosphäre.

Keine Atempause für dich?

Thats the job isn’t it? Es ist ein Job in dem Sinne, dass ich mein Geld damit verdiene. Und andererseits ist es mein Traumjob, weil ich es immer machen wollte. Und ich kann ja selber entscheiden, wie ich das gestalte. Und ich will mir auf jeden Fall für alle Leute irgendwie Zeit nehmen, ich möchte kurz was über die erfahren und manchmal auch etwas länger mit denen reden können. Ich mag diese Abgefertige nicht. Und wenn die dann Lust haben zu warten, und das sind ja offensichtlich mehr als ich gedacht hab, dann freu ich mich.

Ich habe vorhin mit ein paar Fans gesprochen, die bei dir am Visions-Stand waren. Was die positiv bemerkt haben, war, dass du dir viel Zeit nimmst und dass es ein sehr herzlicher Umgang ist. Du hast denen Bildchen gemalt, viele Fotos machen lassen… und das kommt voll gut an.

Ja, aber darum geht es nicht. Ich nehme mir nicht vor, mich bei irgendjemandem einschleimen zu müssen. Ich glaube das merkt man auch an meiner Musik. Wir haben keine Woohoo-Parts. Sowas gibt’s nicht. Das ist sehr verkopft, sehr gefühlsbetont. Es ist behäbige Indiemusik. Und letztlich: Ich bin so wie ich bin. Und ich habe da jetzt gerade Lust darauf, finde es einfach schön. Und wer weiß was in zehn oder zwanzig Jahren ist. Auf jeden Fall können wir uns den Moment schön machen. So dass ich Spaß hab und die Leute auch. Es gibt auch keinen Grund Distanz zu wahren. Warum? Ich bin ja auch nur irgendein Typ.

Das klingt bescheiden. Bist du ein bescheidener Mensch?

Nein, gar nicht. Ich hab eher so einen Minderwertigkeitskomplex. Der kommt irgendwie aus meiner Schulzeit. Ich hab das Gefühl, allen meinen Mitschülern muss ich es beweisen.

Hast du das Gefühl jetzt auch noch?

Ja. (lacht)

Treibt dich das an, es beweisen zu müssen?

Ja.

Glaubst du, dass dir das schon ein Stück gelungen ist?

Ja, voll! Es ist voll low, aber ist so YES!!! (lacht)

Das war heute deine Open Flair-Premiere. „Seid sanft zu uns.“ war Wunsch ans Publikum. Wir wars?

Sanft. Es war schön, es war super! Besser als gedacht. Ich hatte ein bisschen Panik, weil vor uns Naked Superhero gespielt haben. Die haben sehr viel gecovert, was aber auch ein bisschen crowd-pleasing ist – wenn du zehn Songs spielst, die die Leute kennen mit Mitsingparts – it’s nice. Aber sowas gibt es bei uns halt gar nicht. Und dafür war es phantastisch. Besser als gestern.

Wo habt ihr gestern gespielt?

Auf dem Rocco del Schlacko. Das war auch gut, aber heute war besser!

Was war der Unterschied?

Interaktion, Gesichtsausdrücke, Bewegungen der Körper der Hände, der Füße, der Beine – alles. Das klingt jetzt vielleicht doof, aber wenn man auf einer Bühne steht, steht man so ungefähr ein Meter sechzig höher als alle anderen. Da hat man etwas Überblick und es waren ja auch keine dreitausend Leute, da kannst du die relativ gut überblicken und siehst die Gesichtsausdrücke und die generelle Masse an Bewegung. Das verarbeitet man dann und versucht zu bewirken, dass es mehr wird und dass Leute Bock haben und sich zerstören. Aber man kann das nur bis zu einem gewissen Grad kontrollieren. Und dann sieht man das und denkt sich: ok gestern war es irgendwie scheiße und heute ist es irgendwie gut.

Es passiert also was zwischen der Band und dem Publikum?

Es klingt so abgedroschen, aber es stimmt. Aber es liegt auch an den Securytis hier.

Die haben gut mitgemacht, wobei sie sich auch sehr selbst gefeiert haben.

Ist doch egal, sollen sie doch machen. Wenn das deren Job ist, und sie ihren Job zur auch Bühne machen, fair enough, solange die Leute auf Hasi glotzen, kann ich mir drauf konzentrieren, was ich spielen muss. Aber am schönsten find ich immer, wenn Leute sagen: Ey, ich kannte das nicht, wurde mitgeschleppt oder hab es mir einfach so angeguckt und ich fand es gar nicht so scheiße. Das ist eigentlich das größte Kompliment, was man mir machen kann.“

Was bedeuten dir Preise und Auszeichnungen? 2016 hast du den Preis für Popkultur als „Hoffnungsvollster Newcomer“ gewonnen, 2017 gab es eine Echonominierung für das Album „Harieschaim“.

Ich freue mich über jede Form von Anerkennung. Denn du machst es weil es dir was bedeutet. Es kommt aus mir, von innen heraus. Und es ist schön, wenn andere Leute dasselbe empfinden wie du. Und ich muss jetzt keinen Echo gewinnen, um zu wissen, dass meine Musik wertig ist. Wir haben letztes Jahr erfahren, dass man den Echo vor allem dann gewinnen kann, wenn man antisemitische Rapmusik macht und dann bekommt man damit auch noch eine Plattform. Dann ist es ok, dass ich keinen Echo gewonnen hab, vor allem keinen Kritikerecho. Das ist ja der Echo des kleinen Mannes. Ich habe ja keinen Echo gewonnen, weil der ja vor allem auf Verkaufszahlen beruht. Und ich kann hier ein paar Leute zum Tanzen bringen, aber ich kann keine sechzigtausend Platten verkaufen, wie es vielleicht ein Kollegah kann. Aber auf der Gegenseite steht dann aber auch, dass ich keine Juden beleidige.

Ein paar auf dem Platz aufgeschnappte Attribute zu Drangsal waren: interessant, geheimnisvoll, gefühlvoll, sensibel.

Ja, das letztere würde ich unterschreiben.

Kannst du es noch ergänzen?

Anders. Ein Gegenpol zur kontemporären Populärmusik, bildend. Ich glaube es ist sehr verkopft und schwierig und nicht offensichtlich und am Ende des Tages bin ich einfach nur glücklich, dass ich es geschafft hab mit sehr unoffensichtlicher verkopfter Musik auf einem Festival, wie dem OpenFlair zu spielen und trotzdem nicht komplett baden zu gehen.

2016 bei der Supporttour zu Casper kam Drangsal noch sehr brav daher. Was hat sich seit dem getan?

Wenn du Vorband bist, dann musst du dich auch nicht aufspielen. Dann bist du das was du bist. Inwiefern wir gewachsen sind seit dieser Supporttour? Vielleicht wirkt unser Tun ein bisschen übertrieben, aber das finden die Leute gut. Du musst immer so viel wie möglich machen, dass du dir sicher sein kannst, dass auch was davon ankommt. Ich gebe ganz ehrlich zu, Benjamin stand ja heute sidestage nachdem er so rumgewuselt ist vor der Bühne. Und da hatte ich schon auch so das Gefühl, dass ich mich so ein bisschen beweisen muss. Ich hatte so ein schwieriges Gefühl, weil ich dachte, wir passen hier so gar nicht rein, nach Bands wie Betontod, Naked Superhero und Monsters of Liedermaching.

Genau diese Vielfalt ist doch aber gewollt.

Ich weiß, und genau das hab ich auch so empfunden, aber trotzdem macht man sich als Agierender so seine Gedanken und ich bin nicht cool genug um es zu überspielen.

Wenn es mit der Musik nicht geklappt hätte, was wärst du jetzt?

Am Ende.

Am Ende wovon?

Meiner Kräfte, meines Geldes, meiner Sinne. Nein – hab die Schule beendet, hab kurz studiert, das hat mir nicht gefallen. Dann bin ich nach Berlin gegangen, hab dort für ein Label gearbeitet, wo zu damaliger Zeit Franz Ferdinand, Arctic Monkeys und Nick Cave waren. Das hat mich total begeistert. Hab dann kurz für das Merchlabel von Casper, K.I.Z. und Konsortium gearbeitet. Dann bin ich nach Leipzig gezogen, weil mir Berlin aus verschiedenen Gründen zu viel war und hatte da eine ganz schwierige Phase nach einer Trennung und ohne Job. Dann hatte ich angefangen im Callcenter zu arbeiten und war kurz davor zu sagen: So das wars, ich will nicht mehr weiterleben. Und dann kam das hier. Also wenn ich einen normalen Job hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Das klingt so drastisch jetzt, aber so ist es. Sorry an alle Leute, die im Callcenter arbeiten. Ich bewundere jeden der das durchziehen kann. Ich bin zu sowas zu nervös.

Für das Gespräch bedanken sich sehr sehr herzlich Stephan Lindner und Evelyn Gebhardt.


Der sympathische Max Gruber steht mit dem, wie er sich auf der Bühne und auf dem Festivalplatz präsentiert und mit dem was er in seinen Songs und Texten ausdrückt und in den Gesprächen mit den Fans thematisiert, so sehr exemplarisch für die derzeitige junge Generation mit ihrem Wunsch nach Unbeschwertheit, Nähe und unbedingter Wertschätzung einerseits und andererseits den von Zweifeln begleiteten Versuchen dies über Individualität und Leistung zu erreichen. Somit bietet er mit seiner Persönlichkeit eine Projektionsfläche an und mit seiner Musik eine Möglichkeit Emotionen und Belastungen zu externalisieren.

Und eine Prise crowd-pleasing durfte es dann auf dem Open Flair auch bei Drangsal sein. Beim gemeinsamen Singen von Klaus Lages „Tausendmal berührt“ bedurfte es auch nicht des instrumentalen Schutzschildes. Gruber stellte die Gitarre beiseite und versuchte ein Bad in der Menge. Zusätzlich angeheizt von Hasis Animationen belohnte ihn die feiernde Menge mit einer kleinen Rudereinlage. Bei aller Verkopftheit, Theatralik und all den tiefen, ehrlichen Gefühlen gelingt es zum Glück nicht auf der Bühne das Bad-and-sorrow-boy-Image durchzuziehen.

Wir sind sehr gespannt, wie es weiter geht und freuen uns auf ein Wiedersehen bei einem weiteren Open Flair, irgendwann. Drangsal passt da sehr gut hin.

Titelbild: Stephan Lindner

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Von Veröffentlicht am: 16.08.2018Zuletzt bearbeitet: 17.08.20181606 WörterLesedauer 8 MinAnsichten: 1039Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , 1 Kommentar on Im Gespräch mit Drangsal (Max Gruber) über sein erstes Mal auf dem Open Flair Festival
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