Gina Wild meets Jazz Indie Pop – Interview mit Vorwärts, Alright!

Gina Wild meets Jazz Indie Pop – Interview mit Vorwärts, Alright!

Gina Wild meets Jazz Indie Pop – Interview mit Vorwärts, Alright!

Die Berliner Band VORWÄRTS, ALRIGHT! hat soeben ihr erstes Album rausgebracht. Zu hören gibt es auf Vinyl acht wunderbare Instrumental-Tracks, die sich im Grunde genommen jeglicher Kategorie entziehen. Auf die Band trifft dies in gewisser Weise ebenfalls zu. Um mal ein bisschen Nachforschung zu betreiben, was es mit den vier Jungs, den seltsamen Songtiteln und Vinyl only auf sich hat, trafen Keyboarder Trouble und ich uns zum Gespräch und natürlich auch, um das ein oder andere Bier zu zischen.

PiN: Eure Konterfeis sind ja auf dem bereits erschienenen VORWÄRTS, ALRIGHT! Album zu sehen. Stellst du euch mal vor?

V, A!: Sven Halen spielt Gitarre. Trouble – das bin ich – am Synthesizer, dann gibt’s noch +1, der spielt Bass……und macht was mit Medien (lacht). Auf der Platte ist Dave Lambada noch am Schlagzeug dabei. Er ist aus persönlichen Gründen ausgestiegen und jetzt ist Rengo Merengue dabei. Der spielt ansonsten in einner Berliner Ska-Band namens ROLANDO RANDOM. Rengo hat früher in Hardcore-Bands gespielt und wir waren neulich im Cortina Bob, weil +1 mit seiner anderen Band DER FEIND dort gespielt hat. Da war russischer Punk Abend. Das ging um 17 Uhr los. Da musste ich ja schon um 17 Uhr Bier trinken! Da spielten auch DISTEMPER – die hatten einen lustigen Hund auf der Bühne. Als Headliner haben MOSCOW DEATH BRIGADE gespielt. Super! Die machen so eine Art anderen Rap mit Mützen wie PUSSYCAT DOLLS….nee warte mal…. (lacht)…PUSSY RIOT…und deren DJ hat viele Punk-Beats reingehauen. Die Rapper schreien richtig, was sich dann wie 80er-HC anhört. Die sind hochpolitisch und das kommt bei Skins und Punks gut an. Rap in linken Geschichten kann ja auch schwierig sein, aber das brachte die Hütte zum Kochen.

PiN: Ihr habt hier um die Ecke aufgenommen: in der Simplonstraße, zwischen dem so genannten Techno-Strich und dem Indie-Ballermann am Schlesischen Tor.

V, A!: Nicht ganz richtig ausgedrückt: es war im Lovelite Studio, welches es ja nicht mehr gibt. Der Betreiber Jochen ist ein guter Kumpel von uns. Er hat irgendwann ein Studio da drin eröffnet und später den Club abgegeben. Das Studio hatte er aber weiter – bis die Bagger angerollt kamen. Das Lovelite ist jetzt weg und das Morlox nebenan ja auch. Die komplette Strasse ist jetzt ein Hochhaus.

PiN: Womit wir beim besonders in Berlin aber auch sonst überall beliebten Berliner Thema „Gentrifizierung“ sind….

V, A!: Genau! Jochen sagte: Jungs, ihr nehmt jetzt seit Ewigkeiten die Platte auf und ihr habt so bescheuerte Namen, jetzt will ich auch einen und heisse ab jetzt Johnny Feedback. Weil er uns ein gutes Feedback gab, aber eigentlich das andere meinte, was Geräusche erzeugt.

PiN: Wie lange haben die Aufnahmen denn gedauert?

V, A!: Superlange. Als wir die Platte aufgenommen haben waren zwei Bandmitglieder auf einmal fast obdachlos. Da ging es um Beziehungsfragen, aber wir haben alles gemeistert und trotzdem losgelegt. Eigentlich wollten wir getrennt aufnehmen. Das haben wir versucht und gemerkt, das ist nichts für uns, weil es ganz wichtig ist was beim Zusammen spielen so alles passiert. Manchmal muss einfach mal der Nachhall von einem Gitarrenakkord zum Keyboard passen und das erzeugt was Magisches. Und wenn du was alleine einspielst kannst du dich so gut vorbereiten wie du willst – aber du spielst es alleine ein, was für uns schwierig ist.

PiN: Wann sind die Lieder denn entstanden?

V, A!: Holala….das ist schon eine Weile her…zehn Jahre….?

PiN: Ist das auch weil alle in anderen Bands verbandelt sind? In was für Bands spielen die denn?

V, A!: Hendrik spielt bei V,A! und RONNY WELTRAUM & DIE MOPEDS. Das sind Freunde von früher. Die sind über ganz Deutschland verstreut. Robin und Jens der nicht mehr dabei ist haben früher in Hessen bei TWO AND FRO (oder 2 and fro) gespielt. Ich weiß noch: am 16. Oktober 1993 (lacht) waren die im Vorprogramm von YUPPICIDE, was eins der besten Konzerte meines Lebens war – und zwar von beiden Bands. Ich spiele bei den UNLIMITERS Reaggae und Ska. Robin spielt bei THE PROBLEMS und DER FEIND. Die haben eine neue 7 Inch mit unzähligen Liedern drauf die alle nur eine Minute dauern. Ich find die ein bisschen wie DIE EMILS – aber punkrockiger, superschnell und supergut.

PiN: Wenn ich im Kopf addiere was ihr vier sonst an verschiedener Musik macht, kommt nicht unbedingt V,A! raus. Gibt es einen gemeinsamen musikalischen Nenner?

V, A!: Wir sind Freunde und das teilweise seit der Schulzeit. Robin, Jens und ich kannten uns schon lange vor Berlin und haben als Teenies zusammen im Freibad rumgehangen und erste Erfahrungen gesammelt. Hendrik kam hier in Berlin dazu. Wir kommen alle aus dieser Hardcore-Ecke, was in den Neunzigern unser Ding war. Wir mochten damals auch guten Metal so wie ANTHRAX oder die frühen METALLICA.

PiN: Ich hab mich gefragt ob bei V,A! so viel Humor dabei ist, weil ihr aus der HC-Ecke kommt, die manchmal sehr streng und geregelt wirkt.

V, A!: Auf jeden Fall, ganz klar. Da haben wir uns aber schon immer drüber lustig gemacht. Wenn wir auf einem Straight Edge Festival waren sind wir natürlich immer zur Bar und haben gesagt „Drei Bier bitte“ damit wir angemacht werden: „WIR SIND HIER NICHT AUF DEM OKTOBERFEST!“

PiN: Was gab es da zu trinken?

V, A!: Kein Bier halt.

(Betretenes Schweigen)

V, A!: Ich finde Straight Edge gut, aber Scheuklappen braucht es für uns und für mich nicht. Vieles von unserem ganzen Grafik-Scheiss dient dazu den Leuten die Scheuklappen zu nehmen. Allerdings wird uns oft vorgeworfen, wir seien präpubertär. Wir sind alle unabhängig voneinander so gestrickt. Zwei von uns haben Kinder und wir kriegen alle vier von den Partnerinnen und Müttern vorgeworfen, wir seien relativ pubertär….was wir natürlich gut finden (lacht). Wir haben versucht, bei Elitepartner ein Profil mit allen aus unserer Band zu erstellen und wir sind gnadenlos damit gescheitert. Man kann sich nicht mit mehreren Leuten anmelden, was nicht klappt und was schade ist. Drei von den Vieren in der Band sind gerade in Beziehung, und wenn einer solo ist, dann sollte dem sein Foto klar sein und die mit Beziehungen sollten milchig hinterlegt werden. Mein Foto wäre dann gerade deutlich zu sehen (lacht).
Lass uns noch mal zu deiner Ursprungsfrage mit den verschiedenenen Musikrichtungen kommen: wir mögen alle elektronsiche Musik und ich mag Dub gerne, vor allem die alten Meister. Das ist für mich so wie Techno und Elektro.

PiN: Meinst du das Repetive? Das Reingeraten in einen Sog oder mit etwas Glück in eine Art Trance?

V, A!: Das ist Trommeln. Das ist Musik. Wir sind wieder in Afrika. Genau da ging es los. Und die besten Trommeln kommen eindeutig auch von dort.

PiN: Ich war letzten Sonntag zum Techno und ich fand es total toll und tribal-mässig.

V, A!: So was meine ich auch, im Grunde genommen viel von aktueller elektronischer Musik – ausser Mallorca-Techno. Neben den HC-Konzerten war ich früher gern in Frankfurt im Omen. Als ich nach Berlin kam war es aber erstmal vorbei mit Techno.

PiN: Ging mir auch so. Nachdem ich ganz am Anfang Techno toll fand, wurde es in den Neunzigern zeitweise echt dämlich, was vor allem am damaligen Publikum lag. Techno hab ich eigentlich durch die Fusion wieder entdeckt, so um 2007: ich erinnere mich genau: Turmbühne und Dominik Eulberg…BAFF!

V, A!: Fusion! Da haben WORLD INFERNO / FRIENDSHIP SOCIETY gespielt! V,A! LIEBT WI/FS! Schreib das in Grossbuchstaben in den Artikel.

PiN: Okay.

V, A!: Wenn ich nach Hessen aufs Land fahre wo ich aufgewachsen bin, bekomme ich mit das die jungen Leute die gleiche Musik hören wie wir vor zehn Jahren. Die haben aufgehört neue Musik zu erkundschaften. Die kriegen tonnenweise neues Zeug und hören immer nur die alten Platten.

PiN: Wo ich herkomme war das auch so. Ende der Achtziger haben fast alle nur THE DOORS und DEEP PURPLE gehört.

V, A!: Machma Zappa! (lacht).

PiN: Auf dem Infoblatt steht, VORWÄRTS, ALRIGHT! singen von Liebe in der Arbeiterklasse, vom ersten Sex und von den letzten Drogen.

V, A!: Das sind die Kernthemen. Wir hatten verschiedene Texte und das war viel zu heftig, mit so Sachen wie Helmut Kohl Christiane F. im Nebenzimmer fickt, und wenn man das hört ist es paarmal lustig und dann nicht mehr. So was wollten wir nicht als Bandtext haben. Im Nachbar-Proberaum spielt eine Band Cover aus den Achtzigern. Das klingt erstaunlicherweise echt okay. Die spielen auf Firmenfeiern und wenn wir Pause haben können wir dann Easy Listening hören. Wir wollten denen ihre Bandtexte klauen, das war aber auch nur zwei Tage lustig. Also haben wir die Musik instrumental gehalten.

PiN: Hast du euren Infotext parat?

V, A!: Ich kann ihn dir aufsagen: V, A! sind einfach nur cool und ausserdem eine Band. V, A! stehen für Crowdfucking, 100 % Hatetrade, nachhaltige Gewalt und Love love love. V, A! singen über Liebe in der….bla und über adventure before dementure. Gina Wild meets Jazz Indie Pop bis in die Fresse. V, A! sind zudem seit Jahren echte Grössen in der Berliner Nacktvolleyball-Szene und ehrenamtlich irgendwo organisiert.

PiN: Das ist der Text?

V, A!: Das ist der Text.

PiN: So wirklich viel erfährt man da ja nicht.

V, A!: Doch, eine ganze Menge.

PiN: Ich hab manchmal den Eindruck, Bands wissen gar nicht was in ihrem Namen als Info verschickt wird.

V, A!: Wir machen alles selbst um die Welt zu verwirren.

PiN: Wenn ihr die ganze Welt verwirrt könnt ihr ja auch Politiker werden.

V, A!: Wir hatten ja auch mal eine Partei zur Band: VAP Vorwärts Alright Partei.

PiN: Für was stehen die denn?

V, A!: Pissoirs an allen Bars. Mofa-Führerschein ab Zwölf – aber nur wenn der Vater mitfährt. Sowie für die sofortige Umbenennung von Sachsen in SAXON.

Sofortige Abschaffung von Krebs, Aids und Jesus.

(Gelächter)

PiN: SAXON…die Band?

V, A!: Ja diese schwule Haarspray-Gruppe…..gut das ich „schwul“ gesagt hab….wir machen jetzt auch ein Lied mit Elton John zusammen. Wir sind nämlich NICHT homophob…obwohl wir Reggae hören…

PiN: Ich hab nachgeschaut: auf dem Summer Jam ist kein schwulenfeindlicher Musiker dabei. Ich hab den Eindruck, inzwischen wird auf so was geachtet. Wie deprimierend: der Musikschreiberling sitzt mitten im Sommer in seiner Berliner Höhle und schaut im Internet nach, ob irgendwo homophobe Musikanten auftreten.

V, A!: In Jamaica gibt es diese neue Roots-Bewegung mit vielen ganz jungen Typen die wieder Roots Reggae machen und sich auf alte Werte besinnen.

PiN: Bei „alte Werde“ krieg ich Gänsehaut.

V, A!: Nee, die lassen das fresh angehen mit Gedanken von heute und sind bestimmt nicht schwulenfeindlich. Die wollen Musik wieder authentischer haben und stehen nicht auf dieses Goldketten-Zeug oder Angeber-Rap, oder auf dicke Autos fahren und sexistisch sein. Da kam so eine Welle von neuen Künstlern, die sagten wir machen wieder Reggae und Dub so wie in vergangenen Tagen. Ausserdem sind da auch Frauen am Start, was früher nicht unbedingt so war. Da passiert schon ein bisschen was. Ich hab den Eindruck das Thema wird hier manchmal ein bisschen hoch gekocht. Mit V, A! haben wir öfter mit bestimmten Dingen gespielt. Mit den Graphiken greifen wir manche Themen gerne auf, aber gerade was Nazis, Schwarze, Frauen und Schwule angeht ist es echt schwer den Dreh zu kriegen. Wenn das Kunst ist, dann ist alles gut. Wenn es Kunst ist die auch weg kann, dann ist man ruckzuck in so einer Ecke. Wenn wir zu zweit hier sitzen und über ein Bild auf der Band-Seite von Facebook reden, mach ich mir schon Gedanken ob es nicht zu blöd ist. Geil ist wenn es gar keine Likes gibt, weil es ALLEN zu blöd ist.

PiN: Gab es das schon mal?

V, A!: Das gab es einmal und wir fanden es alle Vier super. Im Moment haben wir die vegane Welle ein bisschen auf dem Kieker, obwohl wir alle Vegetarier oder Veganer sind. Die Leute sind häufig so missionierend. Deshalb wollen wir jetzt Kochrezepte einf¸hren. Mein erstes Rezept ist vegan gefüllter Saumagen (lacht).

PiN: Der Saumagen ist echt?

V, A!: Ja, das soll ALLE ansprechen.

PiN: Mich erinnert das an vegane Restaurants wo die Gerichte Chili con Carne oder Salamipizza heissen. Ich find es lustig, will aber gar nicht an Fleisch erinnert werden und somit auch keinen Fleisch-Ersatz haben, sondern etwas ganz Anderes.

V, A!: Was du gerade beschreibst ist der Grund warum wir ECHTEN Saumagen verwenden (Gelächter).

PiN: Jetzt kommt die Schlussfrage: was haben sich V, A! für die Zukunft vorgenommen?

V, A!: Die Platte ist fertig, wir finden sie super mit den acht Instrumental-Songs. Ein Plan für die nahe Zukunft: wir bieten diese Lieder Sängern, Rappern und Musikern an, die können da was Besonderes draus machen. Mit dem Hamburger Karl Nagel der sozusagen der Erfinder und der Organisator von den Chaos-Tagen ist und der bei KEIN HASS DA mit an Bord ist, haben wir schon was im Kasten. Dann ist gerade was in Planung mit einer New Yorker Hardcore-Legende…mehr möchte ich dazu noch nicht sagen. Wenn alles hinhaut, bringen wir Seven Inches raus.

Im Herbst gibt es eine Record Release Party. Die sollte schon viel früher sein, aber durch die Umbesetzung am Schlagzeug findet das erst jetzt statt. Dafür wird es was Besonderes: wir spielen das Album komplett und dann gibt es noch ein Set mit neuen Songs.

PiN: Danke für das Interview!

Die Record-Release-Party findet am 10.10.15 im Berliner Trickster statt.

http://vorwaerts-alright.net/

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Von Veröffentlicht am: 07.08.2015Zuletzt bearbeitet: 02.12.20182309 WörterLesedauer 11,5 MinAnsichten: 918Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , , , , , 0 Kommentare on Gina Wild meets Jazz Indie Pop – Interview mit Vorwärts, Alright!
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Über den Autor: Nico Kerpen

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