Interview mit Colin Van Eeckhout (Amenra)

Interview mit Colin Van Eeckhout (Amenra)

Kommenden Freitag ist es endlich soweit und Amenra veröffentlichen ihr mittlerweile sechstes Album, schlicht „Mass VI“ betitelt. Der vorab veröffentlichte Song „Children Of The Eye“ mit dem dazugehörigenVideo verspricht einiges. Sänger Colin Van Eeckhout nahm sich letzte Woche ein paar Minuten Zeit und sprach mit mir über das visuelle Konzept des Albums, den Aufnahmen in den Bergen der Ardennen und philosophierte mit mir über Licht und Dunkel in der Musik seiner Band, wie auch über die Momente vor einer Show.


Hallo und guten Abend. Wie geht es dir und hast du zwischen all der Promotion für das neue Album genug Zeit für dich?

Alles ok, wir wussten ja, was uns erwartet, was es bedeuten würde und ich bin sehr glücklich über das Interesse der Menschen. Es ist eine Ehre, die zu unterstützen, die Zeit und Energie aufwenden um unsere Botschaft zu verbreiten.

Wie war die Aufnahmesession in den Ardennen zwischen all den Bergen? Kam eine besondere Atmosphäre auf?

Derartige Aufnahmen sind immer eine Momentaufnahme im Leben eines Musikers. Man schreibt die Songs in einer bestimmten Zeit mit bestimmten Emotionen und dann versucht man dies im Studio erneut abzurufen. Das passiert dabei allerdings immer in etwas abgeschwächter Form. Aber es war eine sehr schöne Zeit, die wir im Studio hatten, mitten in den Bergen, im Wald. Es hatte eine magische Atmosphäre, wir waren dort für ein paar Wochen und es war der schönste Ort an dem wir je aufgenommen haben. So eine Erfahrung schweißt einen noch mehr zusammen.

Wie war die Zusammenarbeit mir Billy Anderson (Produzent)?

Wir haben jetzt zum zweiten Mal miteinander gearbeitet und ich glaube, dass wir insgesamt weniger gestresst waren. Bei unseren letzten Zusammenarbeit für Neuropa Records „Afterlife“ so es anders aus. Wir wussten, dass diese Veröffentlichung gut sein musste und diese Vorgabe versuchten wir zu wahren. Es war auch das erste Mal, dass wir in einem Studio mit diesen Ausmaßen arbeiten dürften. Dem entsprechen kam der Stress von selbst.

Beim zweiten Mal waren wir mehr auf uns fokussiert, selbstbewusster und glaubten stärker an uns, was wir normalerweise auch tun. Es war einfach anders. Alles lief flüssiger und wir hatten eine Menge Spaß. Für Billy war es zwischendurch etwas langweilig, da wir als Belgier viele Gespräche führten und Witze machten, die er als Amerikaner nicht verstehen konnte. Aber ich bin sehr froh, dass er sich das ein zweites Mal antun wollte, da wir unsere Musik lieber Nahe unserer Heimat aufnehmen. Es war schön, mit ihm aufzunehmen.

Das sich die Zusammenarbeit gelohnt hat, hört man an dem frisch veröffentlichten Song. Das Album-Artwork spielt in dem Video zum Song eine besondere Rolle. Was bedeutet das Artwork für dich?

Wir haben hierbei mit dem flämischen Fotografen Stephan Vanfleteren, der für uns sehr talentiert ist und international sehr geschätzt wird. Er hat einen sehr klaren fokussierten Blick. Seine Motive wirken mehr wie ein Gemälde statt eines Fotos. Die Aufnahmen für das Artwork waren sehr inspirierend für uns, da er sehr hart daran gearbeitet hat, den perfekten Moment mit seiner Linse einzufangen und die vielen Ideen, die in seinem Kopf herumspuken in die Tat umzusetzen. Man kann mit halbherzigen Dingen zufrieden sein, aber nur harte Arbeit macht sich richtig bezahlt. Wir haben ihn ausgewählt, weil seine Arbeiten häufig das widerspiegeln, was wir empfinden bei unserer Art des Ausdrucks. Er ist in seiner ganzen Arbeitsweise ein Minimalist. Er kann mit wenigen Dingen verdammt viel ausdrücken. Ich fühlte mich zu ihm verbunden, also sprachen wir über seine Ideen, über Amenra und die Ähnlichkeiten unserer Arbeit, um so auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das Frontcover zeigt also einen Schwan, der verstorben ist. Für mich ist der Schwan erst einmal ein Symbol von Schönheit, aber auch ein starkes Tier, das niemals aufgibt in einem Kampf und einen eher attackiert. Er ist majestätisch, vielleicht sogar episch. Wir haben den Kopf ausgeschnitten, um das Bild abstrakter wirken zu lassen, etwa wie ein Engel. Selbst durch den Tod, bleibt der Schwan immer noch schön an sich. Er verkörpert am Ende eine Gewisse Ruhe, die nach einem Gefühlschaos kommt. Das Bild drückt unglaublich viel für mich aus und verkörpert in Gewisser Hinsicht auch das, was wir mit der Band zum Ausdruck bringen möchten.

Im Booklet befinden sich Aufnahmen von unterschiedlichen Tieren unserer Heimat, der Region Flandern in Belgien, die ebenfalls verstorben sind, ihre Kraft und Schönheit allerdings bewahren konnten. Es stellt die gleiche Geschichte dar, wie auch unsere Musik.

Persönlich empfinde ich eure Musik als düster und schwer, in euren Texten finde ich aber auch immer wieder Hoffnung aufblitzen. Warum benutzt ihr diese Gegensätze? Stellt es den ewig andauernden Kampf Gut gegen das Böse dar?

Nimmt man dies als Essenz aus allem, dann stimmt das so. Man versucht immer gegen das Dunkle anzukämpfen bis man die Hoffnung, das Gute in allem findet und dadurch zum Licht kommt. Der Kampf symbolisiert das Opfer, welches man bringen muss, um das Licht zu bewahren. Das ist es. Ich denke nicht, dass wir eine düstere oder dunkle Band sind, wir nutzen zwar diese Bilder, aber wir sind eine sehr hoffnungsvolle Band, in dem, was wir tun. Dabei muss man schon unter die Oberfläche gehen, um dies zu sehen. Es sind nicht nur die schweren Riffs, das Grausame, die Dunkelheit. Wir tragen eine Menge Licht in uns.

Als ich euch zum ersten Mal live gesehen habe in Bochum 2008 als Opener für Converge und Integrity wart ihr die Überraschung des Abends. Keiner konnte was mit der Musik anfangen, weil alle etwas anderes erwartet haben.

Wir versuchen jederzeit einen Eindruck zu hinterlassen.

Das zweite Mal habt ihr auf dem Groezrock 2009 gespielt und nach dem Konzert habe ich dich an eurem Merchstand getroffen und du warst völlig außer Atem. Ihr hattet einen sehr intensiven Auftritt. Gibt es spezielle Vorbereitungen bei euch?

Ich dehne meine Nackenmuskulatur, meinen Rücken und meine Beine vorm Auftritt, damit ich so weitermachen kann, wie bisher. Wir haben keine besonderen Vorbereitungen seit über 20 Jahren. Man kann sich nur von seinem Inneren heraus richtig auf einen Auftritt einstellen. Wir legen einfach einen Schalter im Kopf um. Wir scherzen, machen Blödsinn, sind einfach gute Freunde, aber je näher ein Auftritt rückt, um so ruhiger werden wir. Wir lassen uns gegenseitig in Ruhe und verziehen uns in unsere kleinen Gedankenblasen. Jeder macht sein Ding, die Gitarristen checken nochmal ihr Equipment, der Drummer richtet sein Schlagzeug ein und wenn die Show beginnt, ziehen wir unser Ding so gut wie möglich durch. Wir versuchen immer unser Bestes als Persönlichkeit und Musiker zu geben. Für Rituale oder dergleichen haben wir vorm Auftritt keine Zeit. Das ist alles.

Gab es irgendwelche Veränderungen innerhalb der Band seit dem letzten Album „Mass V“?

Ja, Levy Seynaeve (Bass) ist zum ersten Mal am Songwriting beteiligt gewesen. Er spielt zwar seit 2012 bei uns, aber nun ist er voll involviert. Er ist ein talentierter Musiker, der viele neue Eindrücke mit in unsere Musik gebracht hat, eben seine Sichtweise, frischen Wind. Er hat uns geholfen, Blockaden in unseren Köpfen einzureißen und damit konnten wir viele neue Ideen umsetzen. Wir erlauben viele Freiheiten, aber immer so, dass wir Amenra bleiben. Egal was wir in Zukunft veröffentlichen, jeder sollte nach ein paar Minuten hören, dass er gerade Amenra hört. Das ist uns wichtig. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, unsere Geschichte zu erzählen, und wenn jemand von uns darüber hinaus etwas machen möchte, gibt es genug Bands und Projekte, an denen jeder von uns beteiligt ist. Das ergibt mehr Sinn für mich. Freiheit ist wichtig, aber es gilt auch die musikalischen Grenzen von Amenra zu respektieren. Wir sind sehr glücklich, dass wir es geschafft haben dieses Jahr ein Album zu veröffentlichen.

Wird es die Möglichkeit euch 2018 live zu sehen?

Wir sind gerade dabei eine Tour durch Europa und Amerika zu realisieren. Wir möchten so oft spielen, wie es uns möglich ist, ohne dabei unsere Familien, manche von uns haben auch Kinder, zu vernachlässigen. Außerdem möchten wir noch ein Akustik-Album schreiben, wenn wir die Zeit dazu finden. Außerdem haben wir mit unseren Nebenprojekten angefangen Songs zu schreiben, die ebenfalls bald das Licht der Welt erblicken sollen.

Ein paar letzte Worte an unsere Leser…?

Ich kann nur meine Dankbarkeit für alle aussprechen, die ihre Energie in uns stecken. Ein großes Dankeschön an alle Fans, die uns über die Jahre begleiten. Das ist für uns das Beste, was uns passieren kann.

Titelbild: © Stefaan Temmerman

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Von Veröffentlicht am: 18.10.2017Zuletzt bearbeitet: 18.10.20171473 WörterLesedauer 7,4 MinAnsichten: 926Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , 0 Kommentare on Interview mit Colin Van Eeckhout (Amenra)
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Über den Autor: Heiko Lueker

Sozialarbeiter, Heilerziehungspfleger und Musiknerd. Wenn ich nicht arbeite oder Artikel für prettyinnoise.de schreibe, spiele ich Bass in der Post-Hardcore Band Sleeping God oder schaue mir Filme, bevorzugt Science Fiction oder Horror, an. Außerdem bin ich in der Musikerinitiative Laut & Lästig e.V. in Kamen aktiv. Meine musikalischen Vorlieben sind breit gefächert, aber besonders begeistert mich alles, was irgendwie laut, atmosphärisch oder chaotisch ist und ballert. Deftones, Converge, Cult Of Luna, Thrice, Norma Jean und Will Haven sind Bands, die mich über Jahrzehnte begleiten.

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