BERICHT: Reeperbahn Festival 2019 – Der Mittwoch
Moin aus Hamburg! September ist Reeperbahn Festival-Zeit, ein Festival, das so anders ist, als die Großen. Hier geht’s weniger um den größten Namen und die dickste Goldkette, als um die Entdeckung neuer Bands. Und davon gibt’s jedes Jahr schwindelerregend viele.
Mittwoch mittags kommen wir im allgemeinen Ankunftstrubel am U-Bahnhof St. Pauli an, kommen die Treppe hoch und sind erst mal verdattert: wo letztes Jahr das Festival-Village war, liegt nun eine riesige Baugrube vor uns. Aber nach kurzer Verwunderung finden wir den neuen Standort 100 Meter entfernt und gut ausgeschildert. Nach dem Check-in finden wir auf dem Village-Gelände am Eingang ein riesiges „Fantasies 40 Plus”-Schild samt Feuerfontäne und halbnacktem Querflötenspieler. Äh… Wie meinen? Achso, Heinz Strunk. Erotischer Kalender für 2020. Is’ klar.
Ansonsten turnt eine Yoga-Gruppe zu einem nicht hörbaren Lied auf einem der Container herum. Das ist Kunst. Jetzt aber mal los, aber ins Getümmel!
Wir landen wie so oft als erstes auf dem Spielbudenplatz und hören die letzten zwei Songs von Winterbourne. Das Duo spielt mit zwei Gitarren, zarter Stimme und schön angeschrägten Indie-Pop-Harmonien. Ist jetzt nix Spektakuläres, kann man aber auch viel schlechter machen.
Nach einer kleinen Pause geht es weiter mit The Bland am N-Joy-Reeperbus. Schaler Name, schöne Musik. Die spätere Hauptshow im Sankt Pauli Museum verpassen wir leider, aber die 20 Minuten machen schon echt Laune.
Dann zwei typische Reeperbahn Festival-Vorkommnisse: wir pilgern zu Bandit Bandit in den Grünen Jäger. Und bekommen prompt von der Festival-App mitgeteilt, dass sich der Beginn um 60 Minuten verschiebt. Schlecht bei dem dichten Programm. Man dreht auf dem Absatz um und stiefelt zum legendären Molotow. Easy Life spielen. Wir sind spät dran. Außer durch die Lücken in den zugehängten Schaufenstern haben wir keine Chance mehr, von der Band etwas zu sehen. Der Raum platzt aus allen Nähten.
Dann aber zurück auf Spur, Sleaford Mods spielen in den Docks. Man nehme vier leere Bierkisten, Laptop drauf, zack fertig ist die Bühne. Musikalisch lässt sich das Duo als der wütendste Brite, der je auf Grime-Beats genörgelt hat, zusammenfassen. Mehr braucht es auch nicht. Dem Publikum gefällt es sichtlich. Uns auch.
Die Beine werden müde, die Konzertlaune nicht. Wir marschieren schnurstracks zur Hanseplatte zu Lingua Nada. Würden Bilderbuch und die Leoniden in ein Bällebad voller Acid hüpfen und zum Comedown Frank Zappa in Dauerschleife hören, man hätte ein ungefähr ähnliches akustisches Ergebnis wie diese Band. Mehr Pedale auf dem Boden als Menschen im Raum, jede Menge Frickelei und sehr viel Energie. Länger als die 40 Minuten in diesem kleinen Plattenladen musste es nicht sein, aber die waren grandios.
Zum Abschluss die Leoniden, zurück in den Docks. Die Gutelauneband. Nur halt kein Schlager. Nein, musikalisch macht den Jungs aus Kiel niemand mehr etwas vor. Und live sind sie eine Wucht. Aber. Aber, aber, aber. Wenn sich die rhythmische Sportgymnastik des Gitarristen auch im siebten Song nicht verändert, er immer. Wieder. Genau. Die. Gleichen. Bewegungen macht. Hocke hier, Gitarre auf dem Kopf da. Jaok. Nur, dass hier keine Missverständnisse aufkommen: Da steckt schon ordentlich dolle Energie drin. Die auch Spaß macht. Aber genauso springen in der Ballade, wie bei „1990“? Das passt halt nicht so ganz.
Titelbild: Sleaford Mods | (c) Julian Schmauch
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