BERICHT: Messer @ Tanzcafé Ilses Erika, Leipzig (01.11.2019)
„Wir erinnern uns an das Stück Angeschossen der Gruppe Messer“, erklingt es am Anfang des Konzerts von der Bühne.
Bevor der Konzertabend sich der Gegenwart und Zukunft widmet, muss sich erst ein mal der Vergangenheit zugewendet werden – ein Schritt zurück, zwei Schritte nach vorne. Diese Vergangenheit liegt zwar erst 6 Jahre zurück, doch 6 Jahre können in der musikalischen Entwicklung einer Band eine Ewigkeit sein.
Messer haben in diesem Jahr ein neues Album aufgenommen, für das sie sie sich viel Zeit genommen haben. Immerhin liegt Jalousie, das dritte und bisher letzte Album der Band, schon wieder über drei Jahre zurück. Doch befindet sich die Band glücklicherweise nicht in der Position, abliefern zu müssen. Jeder in der Band hat noch andere Projekte, allen voran Sänger Hendrik Otremba, der zwischen Bildender Kunst, Musik, Kuratieren, Journalismus, Schriftstellerei und universitärer Tätigkeit in den vergangenen Jahren hin und her oszillierte. Sozusagen ein geborener Liebling der Feuilletons des 21. Jahrhunderts.
Das neue Album von Messer wird erst im nächsten Jahr erscheinen, doch man weiß bereits in den Grundzügen, in welche musikalische Richtung es die Band gezogen hat, zumal nach einem Besuch eines der Konzerte der gerade beendeten, 5 Stationen umfassenden Kurztournee. Überraschend groovy kommen die neuen Stücke daher. Statt verzerrter Gitarren und schneller Rhythmus-Fraktion dominieren nun Dub- und stellenweise Reggae-Elemente. Darunter lässt sich erst ein mal viel subsumieren, sodass die anschließende Bemerkung nicht fehlen darf, dass Messer natürlich auch im Jahr 2019 keine feel-good-Musik machen.
In der Ilses Erika dominieren dann konsequenterweise auch die neuen Stücke, was nicht jeden anwesenden Zuschauer vollends zufrieden zurück lässt. Das alte Phänomen: Je eng gefasster die durch viele Höreinheiten geschulte Erwartungshaltung, desto größer die Gefahr, dieser Erwartungshaltung am Ende nicht gerecht werden zu können. Doch die bereits veröffentlichten Stücke Anorak und Der Mieter lassen sich immerhin schon in Teilen mitsingen, und auch die bis dahin noch unbekannten Stücke machen immerhin neugierig auf das, was uns im nächsten Jahr erwarten wird. Darüber hinaus spielt die Band überraschend viele Stücke vom eingangs implizit erwähnten Album Die Unsichtbaren aus dem Jahr 2013, unter anderem Die kapieren nicht, Neonlicht und das alleine lyrisch schon so wunderbare Es gibt etwas:
Ich hörte mal von einem/ der anders war als ich/ und bekam es mit der Angst zu tun/ denn das bist du nicht/ sagte ich zu mir/ und empfand als lächerlich/ was ich eigentlich längst wusste.
Die ewige Angst vor Differenz, unverstanden-bleiben und Alleinsein.
Immerhin: An diesem Abend hat man zeitweilig das Gefühl, dass zwischen Zuschauer und Band kein Blatt Papier passt (das ist nicht nur, aber auch metaphorisch gemeint). Ein Hippie würde sagen: Alles wurde in diesem Moment eins.
Titelbild: Messer | (c) Luca Glenzer
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