BERICHT: Die Ärzte @ Paradiso Amsterdam, 28.05.2019 (+ Videos & Fotos)
Es war ein paar Jahre recht still geworden um die selbsternannte „beste Band der Welt“, Die Ärzte. Das letzte Studioalbum Auch erschien 2012 und die letzten großen Liveauftritte fanden 2013 statt (Jamel rockt den Förster 2016 und den Gastauftritt beim Konzert der Beatsteaks 2018 mal nicht mitgezählt).
Farin Urlaub veröffentlichte derweil weitere Platten seines Racing Teams, Bela B. produzierte schöne Alben mit den Leuten von Smokestack Lightning oder widmete sich Hörspielen und der Romanschreiberei und Rod Gonzales trat u.a. mit ¡Más Shake! und Abwärts in Erscheinung. Kein Wunder also, dass bei so vielen Nebenbeschäftigungen innerhalb der Fangemeinde von BelaFarinRod mal wieder die Frage aufgekommen ist, ob man denn überhaupt nochmal mit einem neuen Lebenszeichen der Berliner rechnen könne.
Die Veröffentlichung der 33CD umfassenden Gesamtwerkschau Seitenhirsch auf Bear Family Records und der Outtakes- und Demo-Sammlung They’ve given me Schrott ließ außerdem die Vermutung zu, dass vielleicht wieder Schluß sein könnte.
Doch dann kam die Verlautbarung, dass Die Ärzte in diesem Jahr als Headliner für Rock im Park und Rock am Ring fungieren werden und – sozusagen als Warm-Up – eine kleine Clubtour names Miles & More durch das europäische Umland spielen, obschon parallel auf ihrer Bademeister-Website mit einem Buchstabenrätsel weiter mit den Erwartungen der Fans gespielt wurde, welches letztlich aber doch erstmal zu den zwei neuen Songveröffentlichungen Abschied und Rückkehr führte.
„16 Tage, 10 Länder, 10 Konzerte“, so der Ablauf der Miles & More Tour, die Die Ärzte und ihre Fans durch einige der berühmtesten Auftrittsorte Europas führt, jeweils mit einem Fassungsvermögen zwischen 600 und 3000 Personen.
Für eingefleischte Die Ärzte-Anhänger also die einmalige Gelegenheit, die sonst überwiegend in großen Hallen und auf Festivals spielenden Berliner in kleiner, familiärer Clubatmosphäre erleben zu können und das Ganze womöglich auch noch mit einem Städte-Trip im jeweiligen Land zu verbinden.
Wie wahrscheinlich auch an den übrigen Auftrittsorten auf der Miles & More Tour, versprach das Konzert im Amsterdamer Paradiso von vornherein zu einer sensationellen Angelegenheit zu werden, denn das frühere Kirchengebäude mit seinen zwei Emporen, welches 1968 von Hippies als öffentlich bezuschusstes Jugendzentrum eröffnet wurde, gilt aufgrund seiner einzigartigen Atmosphäre als einer der legendärsten und berüchtigsten Clubs in ganz Europa.
Am späteren Nachmittag füllte sich dann auch allmählich die Schlange vor dem natürlich schon lange ausverkauften Paradiso, welches an einer Gracht im Museumsviertel, ganz in der Nähe des Reichsmuseums gelegen ist. Was sich dann mit Konzertbeginn um ca. 20.30 Uhr für 2 Stunden und 45 Minuten ereignete, waren BelaFarinRod in absoluter Höchstform und bester Spielfreude, die sich nach dem wunderschön kaputten Also sprach Zarathustra-Intro von Portsmouth Sinfonia auch sogleich mit dem Opener Rückkehr auf das Publikum übertrug.
Und auch wenn ich mir insgeheim erhoffte, gerade auf dieser Tour ein paar seltenere Die Ärzte Schmankerl wie z.B. Kopfhaut, Monsterparty oder Sie kratzt, Sie stinkt, Sie klebt hören zu können, enttäuschte mich die Setlist aus mittlerweile in (fast) jeder Die Ärzte Show zu festen Bestandteilen gewordenen Hits in keinster Weise.
Ganz im Gegenteil, denn in der Siedepunktatmosphäre des Paradisos und bei dieser Nähe zu ihrem enthusiastischen Publikum wurde dieser Abend zu einer mehr als denkwürdigen Angelegenheit.
Die Ärzte – Zu Spät
Mit Bravopunks, B.S.L. und Klaus, Peter, Willi und Petra gab es dann doch auch ein paar willkommene Abwechslungen zu den All-Time-Hits. Insbesondere die Rod Gonzales‚ Songs, bei denen er mit Farin Urlaub Instrumente tauscht, haben mich mal wieder total begeistert. Es ist zudem auch immer wieder eine absolute Freude, wie BelaFarinRod mit ihrem Repertoire spielen können, irgendwelche Songzitate in ihren Sets verbauen, heute u.a. Slayers South of Heaven oder das bekloppte Puttin‘ on the Ritz von Taco. Der Trash-Talk zwischen den Dreien kam wie üblich auch nicht zu kurz (O- Ton Bela: Wir sind jetzt schon über 50 und immer noch so infantil wie früher), genauso wie Pommesgabel-Laola und Wall of Death, bei der es hoffentlich keine Verletzten gab, denn die Tanz- und Crowdsurfing-Stimmung vor der Bühne war ausgelassen.
Die Ärzte – Schrei nach Liebe
Nach 2 Zugabe-Sets ging diese außerordentliche Die Ärzte-Show dann leider mit Dauerwelle vs. Minipli zu Ende.
Das Höchstmaß an Luftfeuchtigkeit war im Paradiso erreicht, der Schweiß tropfte quasi von der Decke und selbst die Fenster, Stufen und Handläufe im Treppenhaus waren beschlagen. Ein unglaublicher Konzertabend war vorüber. So, wie auf dieser Tour, wird man Die Ärzte vermutlich so schnell nicht wieder live zu sehen bekommen. Allen, die ein Ticket dafür ergattern konnten, werden diese Abende mit Sicherheit lange im Gedächtnis bleiben und verkürzen die Wartezeit auf ein hoffentlich bald erscheinendes neues Album. Bis dahin bleibt erneut festzustellen, dass es nur einen Gott gibt, nämlich BelaFarinRod!
Die Ärzte – Außerirdische
Die Ärzte – Anti-Zombie
Die Ärzte – Sohn der Leere
Titelbild: Die Ärzte live @ Paradiso Amsterdam | (c) Jens Broxtermann
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