Robin und das Jahr 2012

Robin und das Jahr 2012

2012 auf musikalisch

Alle Jahre wieder ist’s soweit – schon im November fangen diverse Sender an, dem Zuschauer Jahresrückblicke um die Ohren zu werfen. Da wir bei Pretty In Noise aber ganz unkonventionell und eben – Achtung, abgedroschene Phrase – die etwas andere Musikseite (neuer Slogan 2013? Na?) sind, machen wir das ganze eben nicht viel zu früh, sondern ein wenig zu spät. Und nach Leserpolls (Album und Song, Label und Video, Webseite und Konzert!) über Veröffentlichungen und Musiker des Jahres ist’s nun mal auch Zeit für was vollkommen Subjektives. Was braucht die Welt auch mehr als die persönliche Jahresliste eines Musikredakteurs mit sehr uninteressantem Geschmack? Eben! Nichts!

Und obwohl es langsam aber sicher den Bach runter geht, ist und bleibt last.fm eine der nützlichsten Seiten im ganzen schönen Internet (nach reddit und natürlich pretty in noise). Statistiken sind eben was feines. Und Musik ist sowieso super. Was kann also bitte schöner sein, als Musikstatistiken? Naja, diese Liste mit persönlichen Musikstatistiken.

Lasset uns nun also in medias res gehen! Ich hörte 2012 ganze 15597 – in Worten: fünfzehntausendfünfhundertsiebenundneunzich – Lieder, somit habe ich seit sechs Jahren am drittmeisten Musik gehört. Hier wird mir direkt mal wieder die Rolle des Internets bewusst – nicht nur eben diese Statistik stammt aus dem Netz, auch die gehörte Musik. Nicht nur Bandcamp oder Myspace stellen hier eine wahre Bereicherung für den immer auf der Suche nach neuer Musik befindlichen Menschen dar – vor allem Spotify bringen unmittelbar gigantishe Mengen Musik in die heimischen Ohren. Das ist natürlich alles wieder Symptom der grausigen Readymade-keinenfingerrühren-Gesellschaft, in der wir leben, ist aber leider auch verdammt bequem. Zur Zeit unserer Eltern wäre eine solche Vielfalt an direkt verfügbarer, frei auswählbarer Musik undenkbar gewesen. Insgesamt habe ich aber nicht nur am PC Musik gehört, sondern auch über Handy, MP3-Player und Plattenspieler – und alles über diverse Apps auch brav last.fm mitgeteilt. Schöne neue Welt.

10. Caspian – Auf Platz 10 meiner persönlichen und trotzdem objektiven Bestenliste befindet sich paradoxerweise mein persönliches Highlight 2012 – mit gerade 237 gespielten Stücken schaffen Caspian es auf diese Liste. Im Zuge eines grandiosen Konzerts in Oberhausen (Bericht) bot sich die Gelegenheit, Phil und Joe von Caspian zu interviewen und sie unter anderem zu ihrem aktuellen Album zu befragen – und zu deutschem Frühstück (Interview). Über Caspian wurde an anderer Stelle schon einiges gesagt (Album), also bleibt nur zu sagen: Grandios!

9. Eels – Dass ich 2012 so viel Eels gehört habe, nämlich 357 mal, überrascht mich tatsächlich ein wenig. Allzu präsent hatte ich diese Band nicht, auch wenn ich sie Anno 2011 in Köln live genießen durfte. Andererseits wundert mich das auch nicht weiter, denn was die Band um Herrn E auf Platte presst, ist mehr oder minder höchst großartige Musik. Im Gegensatz zu vielen anderen Interpreten auf dieser Liste wird hier gar gesungen, progressiv und post ist’s beileibe nicht. Muss es aber auch nicht, denn die Musik rockt ziemlich, wenn sie nicht gerade wunderbar melancholisch ist. Ausserdem, zumindest in der aktuellen Inkarnation der Band: Bärte. Massig. An Männern in Anzügen. Coolness pur.

8. Mono – Hier ist dann wieder alles postrockig instrumental. Coolness gibt’s nicht direkt, dafür aber Schönheit in Vollendung, noch dazu in orchestraler Ausprägung. 2012 brachte uns auch For My Parents (Album), auf dem die Japaner wiedermal zeigen, wie wunderbar instrumentaler Postrock zu Kopfkino führen kann. Gegen Ende des Jahres konnte ich Mono dann auch zum zweiten Mal live erleben – dank bescheidener Kölner Bahnanbindungen aber nicht komplett. (Bericht)

7. Long Distance Calling – Eine weitere Band, die ich 2012 live erleben durfte, zum, ich glaube, inzwischen dritten mal oder so. Diesmal umsonst und draussen auf dem Labelfest von Century Media (oder was das war, ich weiß nur, dass es da noch Sommer war. Schöne Zeit). Wie gewohnt sehr fett und wuchtig – kein Wunder auch, dass Arecibo auch mein meistgespieltester Song des Jahres wurde. Dat song’s got balls. Insgesamt hörte ich 439 mal was von den Münsteranern und ich bin gespannt, was 2013 für Long Distance Calling bietet, jetzt wo man scheinbar einen Sänger hat. Schade, ich mag instrumental in diesem Falle erstmal lieber und ich frage mich, wie das funktionieren wird und ob das nun einfach zu generischem Hardrockmetalgedöns führt? Oder gibt das tatsächlich eine Bereicherung? Es bleibt abzuwarten und ich bleibe gespannt.

6. Maybeshewill – Huch, wo kommen denn die 523 plays für Maybeshewill her? Nicht, dass es sich hier nicht um eine gute Band handeln würde, aber irgendwie kann ich mich hier tatsächlich an keine Gründe erinnern, warum ich Maybeshewill fast doppelt so oft hätte hören wollen wie Caspian. Andererseits ist Not For Want Of Trying, mein zweitmeistgespielter Song 2012, auch höchst großartig – und I was here for a second, then I was gone ist ein nettes Album.

5. dredg – haha. Nein.*

4. Mogwai – Tatsächlich nur auf Platz vier, diese vielseitige großartige Band mit ihren ganzen großartigen, abwechslungsreichen Songs. 2011 zweimal gesehen, 2012 keinmal, dafür aber 634 mal gespielt. Was gibt es über Mogwai zu sagen? Vieles. Und zumeist nur gutes. Tat ich an anderer Stelle auch schon – zuletzt über das Remixalbum A Wrenched Virile Lore (Album) und zur Soundtrack-EP zu Les Revenants (EP). Der Soundtrack in Albumlänge wird dieses Jahr im Februar veröffentlicht und hinterlässt mich mehr als gespannt. Mogwai sind großartig, vielseitig und haben zeitweise ziemlich bescheuerte Songtitel. Fuckyeah!

3. Pink Floyd – Was soll man zu Pink Floyd schon sagen? Eine der großartigsten und einflussreichsten Bands der Musikgeschichte, kommerziell wahnsinnig erfolgreich und musikalisch in einer Liga für sich. Comfortably Numb ist mein meistgespieltester Titel überhaupt in den letzten fünf Jahren in denen ich last.fm benutze. Dark Side Of The Moon ist eins der besten, perfektesten Alben, die jemals auf Platte gepresst worden sind, genau wie Animals, Wish You Were Here und eigentlich fast alle anderen Alben, bevor Pink Floyd seltsam und zu einem quasi-Soloprojekt wurden. Ganz große Kunst. Aber das haben die Leute in den letzten 50 Jahren auch schon gemerkt und da sind meine 744 Plays auch nix neues. Als etwas unbekanntere Anspieltipp jenseits von The Wall (das alle grausamen „We don’t need no education“-Remixe spawnte) und Dark Side Of The Moon gibt es vor allem die beiden Alben More (1969) und Meddle (1971). Meddle enthält unter anderem das grandiose Echoes, aber auch das wundersam entspannte und wundersam unterschätzte Liedchen San Tropez. Auf dem Soundtrackalbum More haben Pink Floyd dagegen mit Ibiza Bar und Crying Song mal eben so vor Maiden und wem noch alles den Metal (mit)erfunden und mit Cymbaline nebenbei einen weiteren unterschätzten wunderschönen Klassiker mit wundervollem Text erschaffen.

2. Sigur Rós – Die Isländer sind zwar auch grandios und sind für mich tatsächlich auf einem gleichen Innovationslevel wie vielleicht Pink Floyd. Das 2012 veröffentlichte Album Valtari blieb rückblickend zwar vollkommen hinter den Erwartungen zurück (Album). Das ändert aber nichts daran, dass Sigur Rós einige der schönsten Klänge der letzten Jahrzehnte auf Tonträger gebracht haben. Eigentlich könnte ich eine komplette Top-Ten-Liste der schönsten Lieder nur mit Stücken dieser Band füllen. Der persönliche Favoritenkatalog ist lang – unter den 758 plays finden sich einige Male Popplagið, Gong, Olsen Olsen und und und. Selbst der Song Myrkur vom von selbst der Band verschmähten Erstlingsalbum Von hat seinen Reiz. Dass ich dann am liebsten glücklich gestorben wäre, als es Mitte-Ende des Jahres tatsächlich für mich zu einem Sigur Rós-Konzert ging, ist dann ein weiteres Highlight des Jahres. Im Paradiso in Amsterdam (Bericht) konnten wir uns dann davon überzeugen, dass die Isländer um Jonsi auch live wundervoll sind – nicht, dass Heima und Inni das nicht schon zur genüge bewiesen hätten. Aber live-live ist eben doch noch was wundervoller als DVD-live. Und Amsterdam ist echt schön. Wenn man nicht gerade von Fahrradfahrern überfahren wird.

1. PeterLicht – Wie witzig, dass nach isländischen Elfenmusikern und britischen Psychedelicprogrockgöttern ein deutscher Musiker, von dem man gar nicht so genau weiß, wie er aussieht, mein meistgespieltester Interpret des Jahres 2012 ist. Aber seine 783 plays hat sich der Herr absolut verdient. Das letzte Album, Ende Der Beschwerde von 2011, ist ein persönlicher Meilenstein deutschsprachiger Singersongwriter- Indiepop- Musik jenseits von Thees Uhlmann oder gar so grausigen Deppen wie Nuschellappen Philipp Poisel oder dem ewig langweiligen, prätentiösen und 2012 leider wieder aus der Versenkung aufgetauchten Max Herre. Hätte bei Sonnendeck, das 2001 ja ziemlich fett war, niemand gedacht, dass da noch was anderes kommt. (Randnotiz: 2001 ist 12 Jahre her. Fuck. I’m old.) Von lofi-Elektrogedöns mit seltsamen deutschen Texten brachte Herr PeterLicht (zusammengeschrieben? Ich glaube ja) es zu weniger-lofi-Elektrogedöns mit immer noch seltsamen Texten. Mein Favorit bleibt wohl aber das wunderbare Album Lieder Vom Ende Des Kapitalismus, das langsam eine Entwicklung zur tieferen Tiefgründigkeit anzeigt und trotzdem absurd bleibt. Ansonsten kann der Herr Licht vor allem wundervoll absurd-aber-doch-treffende-Texte schreiben. Schreiben kann er übrigens auch Bücher, die zwar dünn, aber auch gut sind. Dafür gibt’s dann mal eben ’n Paar Preise beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Natürlich war sein Gesicht bei der dazugehörigen Lesung (zumindest im Fernsehen) auch nicht zu sehen. Bisschen prätentiös-artsy muss man dann ja doch sein. Dafür hatte ich Anfang 2012 dann die Chance, Herrn Lichts Gesicht tatsächlich zu sehen. Auf dem Konzert in Mühlheim zeigte sich dann, dass dieses Phantom doch tatsächlich ganz normal aussieht. Und live auch nochmal ein Stück mehr Spaß macht als auf Platte, sei es nun durch alternative, seltsame Versionen von sogenannten eigenen Klassikern oder vorgetragene Prosatexte von denen ich immer noch nicht weiß, wo ich sie nochmal nachlesen soll. Jetzt fehlt mir nurnoch die diversen von PeterLicht bearbeiteten oder selbstverfassten Theaterstücke – und eine verdammte Erst- und einzige Ausgabe von eben jenem preisgekrönten Buch namens Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends. Die kauf ich mir dann aber wenn ich mal im Lotto gewinne. Die kostet nämlich zu viel, dafür dass sie nichtmal 40 Seiten hat und zur Hälfte aus Illustrationen bestehen. Dafür ist sie eben selten. Aber egal, fernbestelle ich mir die eben andauernd aus der Bibliothek der Uni Bochum und fühl mich cool. Ja, ich bin Fan.

* Jaaa…. dredg. Eigentlich verdienen dredg nach diesem Machwerk namens Chuckles & Mr Squeezy keine so positive Erwähnung mehr in einer Liste. Ausser eben auf der Liste der schlimmsten und enttäuschendsten und einfach bescheuertsten Alben der letzten fünfzig Jahrhunderte. Mal ganz ehrlich. Ich bin immer noch nicht drüber hinweg, was diese einstmals so fähige Band für einen Scheiss auf CD gebrannt und in die Läden gestellt hat. Ich bleibe dabei, das muss ein Scherz sein. Das ist nicht stilistische Weiterentwicklung die mir als Fan der anderen dredg-Alben nicht gefällt, das ist einfach ganz objektiv keine gute Musik. So gar nicht. Absolut nicht gut. Eher… ziemlich eklig. Fies. Verstörend. Nicht gut. Dabei haben dredg doch in allen vorherigen Werkphasen so wunderbar gute Musik gemacht. Selbst das sehr rabiat-chaotische Erstlingswerk, die Conscious EP von 1996 ist meilenweit besser als dieser Schrott auf Chuckles & Mr Squeezy. Kayasuma, von der Orph EP, ist ein wegweisendes Stück, das stellenweise schon sehr nach den dredg klingt, wie man sie spätestens seit Leitmotif, einem der perfektesten Alben dieser Ecke der Musikwelt, kennt. Nicht weniger perfekt ist El Cielo. Catch Without Arms ist zwar poppiger, hat aber trotzdem wunderbare Momente. The Parrot, The Pariah, The Delusion ist noch poppiger und nurnoch bedingt mit Leitmotif vergleichbar, aber auch ein Album mit guten Stücken. Aber Chuckles & Mr Squeezy… ist einfach scheisse. Ich ignoriers einfach und hoffe, dass dredg neben Equipment-Ausverkäufen und irgendwie bemitleidenswerten „Hey come see us at our show we play all of CWA and El Cielo“-Facebookstati vielleicht auch mal die Zeit finden, gute Musik zu machen, die nicht dafür sorgt, dass ich mir erst die Ohren ausreißen und dann weinen will, weil die Band, die ich nach Pink Floyd in den letzten fünf Jahren mit Abstand am häufigsten hörte, ein einfach nur grauenhaft beschissenes Album veröffentlicht hat. Ja, ich hab da echt ein Trauma von zurückbehalten.

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Von Veröffentlicht am: 08.01.2013Zuletzt bearbeitet: 02.12.20182085 WörterLesedauer 10,4 MinAnsichten: 867Kategorien: ArtikelSchlagwörter: 0 Kommentare on Robin und das Jahr 2012
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